Düsseldorfer Literaturpreis 2019 Ehrung für die Unberechenbare

Karen Duve wird mit dem mit 20.000 Euro dotierten Düsseldorfer Literaturpreis geehrt.

 Schriftstellerin Karen Duve folgt als Preisträgerin auf die Autorinnen Esther Kinsky (2018) und Marion Poschmann (2017).   Foto: dpa

Schriftstellerin Karen Duve folgt als Preisträgerin auf die Autorinnen Esther Kinsky (2018) und Marion Poschmann (2017). Foto: dpa

Foto: picture alliance / Jens Kalaene//Jens Kalaene

Karen Duve mit einem Literaturpreis zu ehren, ist mittlerweile nicht sonderlich originell – nach all den Ehrungen in den vergangenen Jahren, mit denen die 57-Jährige schon bedacht worden ist. Aber dennoch ist die Düsseldorfer Wahl richtig. Es gibt kaum eine andere Autorin, die so unberechenbar bei der Wahl ihrer Themen und der Gattungen ist wie Karen Duve. In diesem Jahr soll ihr der Düsseldorfer Literaturpreis verliehen werden, vergeben durch die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse und mit 20.000 Euro auch anerkennenswert dotiert.

Die siebenköpfige Jury hat sich bei ihrer Entscheidung aufs jüngste Werk kapriziert, das so wunderbar wie sein Titel ist: „Fräulein Nettes kurzer Sommer“. Das ist ein Roman über die junge Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Eigentlich ist es auf knapp 600 Seiten nur die Geschichte eines Sommers. Doch was heißt „nur“. Wer Duves Droste gelesen hat, weiß, dass es eine spannende, eine sehr echte und noch immer gegenwärtige Frauen-Lebens-Schicksalgeschichte ist.

Wie unbeschwert dieser Sommer des Jahres 1820 doch ist, auf dem westfälisch-idyllischen Bökerhof! Jung ist die Droste und jung ist das Leben. Und übermütig der begehrenswerte August von Arnswaldt, und liebenswürdig der hochbegabte, doch mittellose Student Heinrich Straube. Zu ihm vor allem fühlt sich die junge Dichterin hingezogen. Doch am Ende werden beide die junge Frau verleumden, sie unmöglich machen und ihr die Freundschaft kündigen. Dabei hat die Zeit doch ungeheuren Schwung! Geistig kommt viel in Bewegung, das Bürgertum erwacht und ist zum Aufbruch bereit. Das enge Leben der Dichterin steht im Kontrast dazu. Es wird zu einer Anklage der ansonsten so pathetisch verkündeten Freiheitsliebe dieser Zeit.

Die Droste ist natürlich kein Spiegelbild von Karen Duve. Aber vielleicht hätte Droste-Hülshoff so werden können wie die in Hamburg geborene Autorin. Eigenwillig nämlich, im besten Sinne unkonventionell und mit jedem Buch für eine Überraschung und für ein Lese-Erlebnis gut. So mutet es fast wie ein Witz an, dass ihre Eltern sie in die Ausbildung zur Steuerinspektorin schickten. Die hat Karen Duve dann auch ohne Abschluss beendet; hat stattdessen Aushilfstätigkeiten angenommen und ist 13 Jahre lang als Taxifahrerin durch die Gegend kutschiert. Dass man auch dabei genügend literarischen Stoff sammeln kann, hat sie dann 2008 mit ihrem Roman „Taxi“ gezeigt. Zuvor hatte sie ihre Leserschaft vor allem mit dem „Regenroman“ (1999) gewonnen. Sie hat ein „Lexikon berühmter Tiere“ und später noch ein „Lexikon berühmter Pflanzen“ geschrieben, zwischendurch Kinderbücher und einen Großessay über unserer Leistungseliten, die bei ihr Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen sind. Nicht unerwähnt bleiben darf der literarische und praktizierte „Selbstversuch“ zum anständigen, also ethisch vertretbaren Essen, weil der Folgen hatte: Aus einer Massentierhaltung befreite sie ein Huhn, das schließlich bei ihr einzog und Rudi heißt – das sich also von der „Fleischeinheit“ zum Charakterwesen wandeln durfte. Eigentlich ist die Düsseldorfer Wahl von Karen Duve dann doch originell.

Info Die Verleihung findet am 5. Juni im Forum der Stadtsparkasse statt.

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