Amazon als Übernehmer im Gespräch KNV-Insolvenz erschüttert Buchbranche

Stuttgart / Erfurt · Für Buchhändler hat die Pleite gravierende Auswirkungen. Schlägt jetzt Amazon bei dem Großbuchhändler zu, wie mancher spekuliert?

 Hier sind die Buchreihen noch gut gefüllt. Aber gehen den Buchhandlungen bald vielleicht doch die Bücher aus? Die Insolvenz des Großhändlers KNV erschüttert jedenfalls die Branche.

Hier sind die Buchreihen noch gut gefüllt. Aber gehen den Buchhandlungen bald vielleicht doch die Bücher aus? Die Insolvenz des Großhändlers KNV erschüttert jedenfalls die Branche.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Immer wenn im Buchmarkt Umbrüche bevorstehen, ist schnell vom Online-Händler Amazon die Rede. So auch in diesen Tagen, da Deutschlands wichtigster Großbuchhändler – die Koch, Neff & Volckmar GmbH (KNV) – Insolvenz angemeldet hat. Dass Amazon mit einer Übernahme seine Marktmacht ausbauen könnte, ist vorerst zwar nur eine Spekulation – aber eine, die Sinn machen könnte.

So ist die angeschlagene KNV-Gruppe, die als Grund für den Insolvenzantrag am Dienstag überraschend gescheiterte Investorengespräche nannte, einerseits ein Großbuchhändler, der Bücher mit einem Rabatt von bis zu 50 Prozent bei den Verlagen einkauft und diese dann mit einem geringeren Rabatt an die Buchhandlungen weiterverkauft. Andererseits ist das Stuttgarter Familienunternehmen ein großer Buchlogistiker, der von seinem Lager aus die Geschäfte direkt beliefert. Jeder fünfte Verlag in Deutschland hat seine Logistik komplett an KNV ausgelagert – darunter so namhafte wie Suhrkamp, dtv und Piper.

Dafür hatte man 2014 sogar ein neues Logistikzentrum in Erfurt in Betrieb genommen – für insgesamt 150 Millionen Euro und mit 22 Millionen Euro Unterstützung des Landes Thüringen. Knapp 600.000 Titel von mehr als 5000 Verlagen liegen in diesem Zentrallager auf Vorrat. Das garantierte den Service, dass jedes beliebige Buch in insgesamt 5600 Buchhandlungen (davon 4200 in Deutschland) am Nachmittag bestellt und noch in der Nacht ausgeliefert werden konnte. Die Hälfte des Marktes hat KNV bedient. Manche Buchhändler kaufen alles über KNV ein. Und das Vertrauensverhältnis war bislang groß: Die Fahrer der sogenannten Bücherwagen verfügen über die Schlüssel der Buchhandlungen, um die Ware in der Nacht beim Kunden abstellen zu können.

Allerdings wird gerade der Bau des zentralen Lagers in Erfurt in Zusammenhang mit den aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gebracht. Unter anderem hatte es zum Start erhebliche und anhaltende Schwierigkeiten gegeben, so dass parallel und somit kostenintensiv auch das Lager in Stuttgart weiterhin betrieben werden musste. Branchenbeobachter sehen im Erfurter Neubau eine Zäsur. Ausgerechnet im so wichtigen Weihnachtsgeschäft hatte der Großhändler 2014 mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen.

Diese Verflechtung lässt erahnen, warum die Unsicherheit der Branche so groß ist. Die KNV-Insolvenz ist gewissermaßen das Epizentrum, von dem weitere Erschütterungen ausgehen könnten. „Dieser Riese droht, sollte er weiter fallen, einen beträchtlichen Teil der Buchbranche mit sich zu reißen“, hieß es in einer Erklärung der Kurt-Wolff-Stiftung, die sich als Interessenvertretung unabhängiger deutscher Verlage versteht. Buchhändler fürchten Lieferengpässe, zumal Verlage aus Unsicherheit über die KNV-Zukunft die Belieferung gewissermaßen aus Selbstschutz eingestellt haben.

Es kommt hinzu, dass das für Verlage und Buchhandlungen überlebenswichtige Weihnachtsgeschäft noch nicht abgerechnet ist und Zahlungsausfälle befürchtet werden. Kleinere, unabhängige Verlage und Buchhandlungen haben in dieser Situation Länder und Bundesregierung um Hilfe gebeten. Gerade die Kleinen der Branche sorgten „seit Jahrzehnten für die große Vielfalt des Buchmarktes“, so die Kurt-Wolff-Stiftung. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, geht davon aus, dass das Geschäft in den nächsten drei Monaten weitergeführt wird – abgesehen von minimalen Zustellverzögerungen. Der vorläufige Insolvenzverwalter Tobias Wahl sagte, Ziel sei es, KNV fortzuführen und viele Jobs zu erhalten.

In Deutschland ist nach wie vor der stationäre Handel tonangebend. 47 Prozent des Umsatzes werden in den Buchhandlungen gemacht. Der wachsende Online-Handel liegt mit 18 Prozent bislang nur an dritter Stelle. Es sind die Verlage, die mit ihrer Direktvermarktung über 21 Prozent am Gesamtumsatz halten.

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