RP Plus Das kann Google+ wirklich

Düsseldorf (RPO). Lohnt es sich als Facebook-User, sich nun bei Google+ anmelden? Zwei Wochen nach dem Start hat das neue soziale Netzwerk bereits mehr als zehn Millionen Mitglieder – obwohl es eigentlich noch in der geschlossenen Testphase ist. RP Plus hat den großen Facebook-Konkurrenten unter die Lupe genommen. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Das ist Google+
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Düsseldorf (RPO). Lohnt es sich als Facebook-User, sich nun bei Google+ anmelden? Zwei Wochen nach dem Start hat das neue soziale Netzwerk bereits mehr als zehn Millionen Mitglieder — obwohl es eigentlich noch in der geschlossenen Testphase ist. RP Plus hat den großen Facebook-Konkurrenten unter die Lupe genommen. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Nicht noch ein soziales Netzwerk. Wer sich im Freundeskreis über den neuen Internetdienst Google+ austauscht, bekommt diese Antwort oft zu hören. Muss ich jetzt meine Facebook-Statusmeldungen auch bei Google+ posten? Lohnt sich das überhaupt? Und was kann der Konkurrent, was Facebook bisher nicht kann? Nach einer Woche Testerfahrung mit dem neuen sozialen Netzwerk lässt sich sagen: Wer Google+ nicht mag, ist selbst schuld.

Google+ ist übersichtlicher, spielerischer und zugleich praktischer als Facebook. Allein deshalb ist das Google-Angebot es Wert, ausprobiert zu werden. Hinzu kommt, dass der neue Dienst das Beste aus den beiden bisherigen großen sozialen Netzwerken vereint: Facebook und Twitter. Man kann nicht nur seinen virtuellen Freundeskreis erweitern und Statusmeldungen austauschen wie bei Facebook, man kann auch die Nachrichten wildfremder Leute folgen — ohne ihr spezielles Einverständnis. Das hat Google+ mit dem Kurznachrichtendienst Twitter gemein. Bevor nun Datenschutzbedenken auftauchen: Wer verhindern will, dass jeder seine Mitteilungen verfolgt, kann seine Meldungen einfach auf einzelne "Circles" mit Freunden oder Kollegen begrenzen. Gute Ideen können so einfach sein.

Apropos Datenschutz: Tatsächlich soll es Nutzer geben, die von Facebook zu Google+ in der Hoffnung wechseln, dass der Internetgigant sorgfältiger mit ihren Nutzerdaten umgeht als Mark Zuckerberg. Wer allerdings bereits andere Google-Dienste wie Gmail oder Google Maps nutzt, dürfte wissen, dass das Unternehmen ebenso wie Facebook eine Datenkrake ist. Google+-Nutzer werden künftig ebenso wie bei Facebook personalisierte Werbung erwarten dürfen. Und die Datenschutzeinstellungen für die Freigabe der persönlichen Daten sind bei Google+ nicht wesentlich übersichtlicher als beim Konkurrenten.

Der entscheidende Nachteil ist allerdings: Google+ kommt zu spät. Wer immer Informationen und Erlebnisse im Internet mit anderen teilen möchte, tut dies bereits bei Facebook. Und wer dennoch Google+ entdecken will, stört sich bald daran, dass er seine Facebookfreunde nicht einfach zur Konkurrenz mitnehmen kann. Das wusste Mark Zuckerberg rechtzeitig zu verhindern. Ungeachtet dessen steigt die Zahl der Teilnehmer von Tag zu Tag erheblich.

Seit dem Start vor zwei Wochen hat Google+ eine beeindruckende Bilanz hingelegt. Mehr als zehn Millionen User meldeten sich innerhalb der ersten 14 Tage trotz der Beschränkung auf einen relativ geschlossenen Nutzerkreis an. Denn in der momentanen Testphase ermöglicht Google die Anmeldung an dem neuen Netzwerk nur auf Einladung eines Google+-Teilnehmers. Die Fogle: In Internetforen bilden sich lange Wartelisten von Kandidaten, die um eine solche Einladung bitten. Auf Ebay werden Einladungen zum Preis von fünf Dollar gehandelt. Der Marketing-Trick von Google hat funktioniert.

Der beliebteste Nutzer war bis Mitte dieser Woche noch der größte Konkurrent: 110.000 Menschen folgten dem Google+-Stream von Mark Zuckerberg. Inzwischen hat er seine Circles gesperrt. Wer ihm folgen will, muss dies auf seinem eigenen sozialen Netzwerk tun. Überhaupt scheint Google+ zu Beginn ein reines Männer-Netzwerk zu sein: Die Agentur Findpeopleonplus hat in der vergangenen Woche eine Million Userdaten von Google+ verglichen und stellt als Ergebnis fest, dass mehr als zwei Drittel der Nutzer männlich sind.

Wir haben das neue soziale Netzwerk ausgiebig getestet. Die Bilanz der neuen Features nach einer Woche Testerfahrung:

Circles

Diese Funktion ist die innovativste Idee von Google+. In den übersichtlich dargestellten Kreisen lassen sich sämtliche Kontakte organisieren. Freunde, Familienmitglieder und Kollegen werden in einzelne Kreise eingeteilt. Mit einem Klick kann man bei allen späteren Postings dafür sorgen, dass das Video von der aus dem Ruder gelaufenen Party am Wochenende zwar die Freunde sehen können, vor dem Chef und den lieben Kollegen aber verborgen bleibt. Ihre Kontakte erfahren von der Einsortierung in verschiedene Circles nichts. Das ist praktisch und von Google gut gelöst. Zwar lassen sich auch bei Facebook die Kontakte organisieren, dort ist die Funktion aber bei weitem nicht so übersichtlich.

Stream

Der Stream ist die Standardansicht auf Google+ und entspricht in etwa der Pinnwand auf Facebook. Dort kann man Statusmeldungen posten oder auch nur einzelnen E-Mail-Empfängern Nachrichten hinterlassen. Dafür wählt man anstelle kompletter Circles lediglich einzelne Personen als Empfänger aus. Wer jemanden in seinem Text erwähnen will, kann dies mit einem @ oder + vor dem Namen tun. Praktisch: Einmal gepostete Nachrichten lassen sich auch nach dem Absenden beliebig korrigieren. Bei Facebook hilft bei einem Tippfehler bisher nur das Löschen und Neuschreiben des Kommentars.

Hangout

Hangout ist ein klassischer Video-Chat. Dort kann man eine Videokonferenz für bis zu zehn Personen gleichzeitig einberufen. Das ist für Skype-Nutzer zwar nichts neues, aber bei Google+ benötigt man dafür kein eigenes Programm mehr. Der Video-Chat funktioniert nach der Installation eines kleinen Plug-Ins im Browser selbst. Ob diese Funktion tatsächlich nachgefragt wird, darf bezweifelt werden. Bisher hat sich kein Video-Chat durchgesetzt. Wer will unbedingt sehen, wie der Gegenüber beim Telefonieren aussieht?

Sparks

Sparks ist eine Funktion, die es bei Facebook nicht gibt — und durch die Google seine Übermacht als Suchmaschinenanbieter festigen soll: Ein Nachrichtenfeed, der allein über Stichwörter funktioniert. Wer also Begriffe wie Harry Potter, Staatspleite oder William & Kate eingibt, wird durch Google+ ständig mit Bildern, Videos und Texten zum Thema versorgt. Eine praktische und nützliche Funktion, die im Test allerdings nicht allzu viele Treffer bescherte. Die Treffsicherheit der Beiträge könnte Google in den nächsten Woche noch verbessern.

Huddle

Dieser Dienst sollte eigentlich eine der Hauptattraktionen von Google+ werden: Ein Gruppenchat für Mobiltelefone. Wer spontan abends zum Feiern in die Stadt fährt, kann sich mit beliebig vielen Teilnehmern per Gruppen-SMS verabreden. Das jedenfalls versprach Google vor dem Start des Dienstes. In der Realität allerdings muss der Konzern diesen Dienst noch stark verbessern. Der Chat funktioniert ausschließlich auf Android-Smartphones mit der entsprechenden Google+-App. Wer nicht dazu gehört und dennoch eine Chatnachricht bekommt, wird am PC, Notebook oder Handy lediglich auf die neue Nachricht aufmerksam gemacht. Der Inhalt der Textnachricht allerdings wird nicht übermittelt.

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