„Der Doktor und das liebe Vieh“ James Herriot kehrt nach Yorkshire zurück

Der britische Serienklassiker „Der Doktor und das liebe Vieh“ hat ein Update bekommen. Der Regisseur von „Downton Abbey“ inszeniert warmherzige Geschichten vor pittoresker Kulisse. Trotzdem sehnt sich der Zuschauer nach dem Original zurück.

 Nicolas Ralph als James und Rachel Shenton als Helen. Im Hintergrund: Yorkshire.

Nicolas Ralph als James und Rachel Shenton als Helen. Im Hintergrund: Yorkshire.

Foto: Sky / Polyband/Sky / Polyband

Das Original war das, was man Sonntagnachmittag-Fernsehen nannte. Die Farben wirkten wie ausgewaschen vom Regen, der immerzu aus dem grauen britischen Himmel fiel. Die dicken Wollpullis der handelnden Figuren waren klamm, ihren Tweedsakkos (mit Lederflicken an den Ellenbogen!) sah man an, dass sie kratzten. Und die Bilder waren sehr körnig, aber das machte nichts, denn über der Landschaft hing ohnehin immer ein Schleier. Und das war ja auch das Schöne an „Der Doktor und das liebe Vieh“, dass diese Diesigkeit die längst vergangene Welt, von der da erzählt wurde, gegen die Gegenwart abschirmte und sie als Nachhall einer verwehten Erinnerung wirken ließ, wie ein Aroma, eine Atmosphäre.

Zwischen 1977 und 1990 lief die BBC-Serie, die in den Yorkshire Dales im rauen Norden Englands spielte und eine Generation von Deutschen mit einem Stil bekannte machte, den man mit „Britishness“ am besten charakterisiert. Anglerhüte, Wachsjacken und Cordhosen gehörten dazu: So stand der Tierarzt James mit rot gefrorener Nase in dunklen Ställen aus grob gefügten Steinen, bat um ein Stück Seife und einen Blecheimer mit warmem Wasser, krempelte einen Hemdsärmel auf und steckte kurz danach mit dem Arm bis zum Anschlag in einer Kuh, um bei der Geburt eines Kalbes zu helfen.

Sein Chef war der exzentrische Siegfried Farnon, der von Robert Hardy gespielt wurde, einem Mann, der im echten Leben bei J.R.R. Tolkien in Oxford Literatur studiert hatte und später als Zaubereiminister Cornelius Fuge in den „Harry Potter“-Verfilmungen auftrat. Hier spielte er einen eingefleischten Junggesellen, von dessen seelischen Verheerungen der Zuschauer nur ab und an eine Ahnung bekam. Sein jüngerer Bruder Tristan war ein Tunichtgut, der im Hörsaal sitzen sollte, aber lieber in die Pubs ging. Und wie das so ist bei Menschen, die mit Grandezza das Leben genießen und mit großer Anstrengung den Stress vermeiden: Man kann nicht anders, als sie zu mögen. Gemeinsam heilten sie im fiktiven Städtchen Darrowby Tierkrankheiten, die zum Teil eigens für die Produktion erfunden wurden. Und allein der Vorspann, wo man einen gut gefederten Oldtimer zu Mitpfeif-Musik über grün umhegte Straßen hüpfen sah, ließ den Anglophilen seufzen.

Dass nun also diese Serie, die so große Lust auf England machte, noch einmal breit gewürdigt wird, liegt daran, dass tatsächlich passiert ist, was niemand gedacht hätte: Sie wurde neu aufgelegt, modernisiert und updated. Der Titel ist derselbe geblieben, aber die Bilder wirken, als habe jemand die Heizung aufgedreht und Staub gewischt. Die neue Produktion ist sehr instagramable, wie man es nennt, wenn sich etwas gut dafür eignet, als Hintergrund für Fotos auf der Plattform Instagram benutzt zu werden. Gedreht wurde in dem pittoresken Ort Grassington in Wharfedale. Schmeckte die Produktion einst nach dünnem, aber schön heißem Tee, ist das heute eher körperwarmer Kakao mit Sahne und einer Verzierung in Herzform obendrauf.

Regie führte Brian Percival, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht zu haben scheint, britische Kultur zu exportieren. Auch für „Downton Abbey“ ist er verantwortlich, und als der „Guardian“ erstmals über Percivals Pläne berichtete, „Der Doktor und das liebe Vieh“ neu aufzulegen, tat er das unter der Überschrift „Downton Abbey mit Schweinen“. Tatsächlich sieht man die neuen Episoden erstmal mit einer inneren Opposition, weil man sich dem Original doch noch sehr verpflichtet fühlt – es waren einfach zu viele schöne Sonntage.

 Das neue Team: Siegfried Farnon (Samuel West), James Herriot (Nicolas Ralph), Tristan Farnon (Callum Woodhouse) und Mrs. Hall (Anna Madeley).

Das neue Team: Siegfried Farnon (Samuel West), James Herriot (Nicolas Ralph), Tristan Farnon (Callum Woodhouse) und Mrs. Hall (Anna Madeley).

Foto: Sky / Polyband/Sky / Polyband

Aber dann muss man doch zugeben: So schlimm ist es gar nicht, eigentlich sogar sehr in Ordnung. Die Buchvorlage des Tierarztes James Alfred Wight, der unter dem Pseudonym James Harriot schrieb, wird ziemlich treu umgesetzt. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die Haushälterin Mrs. Hall nun so viel jünger ist. Nicolas Ralph in der Hauptrolle macht seine Sache gut, er spielt das mit einer Naivität, die sich gegen das zunächst harte Auftreten des neuen Siegfried (Samuel West) angenehm ausnimmt. Diana Rigg („Mit Schirm, Charme und Melone“) hat einen Gastaufritt als Mrs. Pumphrey. Nicht zu verschmerzen indes ist das Fehlen von Carol Drinkwater, die in den ersten drei Staffeln der Original-Serie die Farmerstochter Helen spielte. In sie verliebte sich James ja bald, und eigentlich war sie viel zu cool für diese Rolle. Drinkwater war zuvor in „Clockwork Orange“ aufgetreten, mit Christopher Timothy, der den James spielte, hatte sie tatsächlich eine Affäre, was das TV-Publikum skandalös fand, weil der Schauspieler noch verheiratet war. Drinkwater wurde dafür angefeindet, Timothy eigenartigerweise nicht, und nach ihrem Abstieg veröffentlichte sie erfolgreich Romane und Kinderbücher.

„Der Doktor und das liebe Vieh“ wurde fürs 21. Jahrhundert liebevoll ausgestattet, und man kann durchaus seinen Spaß mit der neuen Serie haben. Dabei ist allerdings nie so ganz klar, wie stark die Freude über diese neuen Geschichten an der Erinnerung an die alten hängt.

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