"Wir brauchen einen Europäischen Währungsfonds"

Gastbeitrag Rainer Brüderle warnt vor dem Ausstieg Athens aus dem Euro und forderte eine bessere Zusammenarbeit von Paris und Berlin

Berlin Europa steht an der Wegscheide, die gemeinsame Währung steht auf dem Spiel. Das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, die Rückkehr zur D-Mark, ein Nord-Euro-Verbund mit Südeuropa als abhängige Währungssatelliten: Alles das wird hitzig diskutiert, alles das wäre brandgefährlich. Beim Auseinanderbrechen der Eurozone wären die volkswirtschaftlichen Schäden, auch in Deutschland, immens. Die negativen politischen Auswirkungen unabsehbar. Ein Rückfall in die Einzelstaaterei würde die Gespenster aus dem frühen 20. Jahrhundert beschwören. Europa wird im 21. Jahrhundert nur eine Chance haben, wenn es beisammen bleibt. China, Indien oder Brasilien warten nicht auf uns.

Kurzfristig müssen die Verschuldungsprobleme Griechenlands gemildert werden. Hier geht es um das Kaufen von Zeit. Zeit, die andere Länder brauchen, um sich nicht anzustecken. Aber auch Zeit, um Europa und den Euroraum neu aufzustellen. Zwei Faktoren fehlen dem Eurogebiet zu einem optimalen Währungsraum. Die Arbeitskräftemobilität ist zu schwach ausgeprägt, und es fehlt die politische Union. Deutschland etwa leidet an einem zunehmenden Fachkräftemangel, Spanien derzeit unter hoher Arbeitslosigkeit. Doch die Mobilität der Arbeitskräfte ist relativ leicht in den Griff zu bekommen. Die Marktkräfte werden über kurz oder lang wirken.

Der Weg zur politischen Union ist bei weitem die größere Herausforderung. Die Mütter und Väter des Euro haben sich einer Hilfskonstruktion bedient. Man versuchte es mit einer Regelbildung namens Stabilitätspakt. Dieses Regelwerk mit Verschuldungsgrenzen und Sanktionsmechanismen wurde durch Frankreich und Deutschland die Luft abgedrückt, zum Schaden Europas und des Euros. Jetzt müssen Deutschland und Frankreich die Kraft finden, Europa einen positiven Geist einzuhauchen. Die harte zentralistische Linie, die aus dem Merkantilismus kommt, muss mit dem dezentralen Ansatz der Sozialen Marktwirtschaft in Einklang gebracht werden.

Einen Schlüssel bildet dabei ein Europäischer Währungsfonds, der unter dem Namen ESM bis 2013 eingerichtet wird. Dabei muss er mehr sein als ein riesengroßer Rettungsschirm. Der ESM soll Kredite an klamme Staaten geben, aber nur unter strengsten Auflagen. Viel wichtiger wäre jedoch, dass mit dem ESM eine Institution geschaffen wird, die die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten permanent unter die Lupe nimmt. Bislang überlässt man diese Aufgabe den Mitgliedsstaaten, namentlich dem Ecofin-Rat, wo sich die Finanzminister treffen. Da macht man den Bock zum Gärtner.

Ein weit gehend unabhängiger ESM muss die Expertise und auch die Sanktionsmöglichkeiten an die Hand bekommen, Mitgliedsstaaten mit schwacher Wettbewerbsfähigkeit notfalls Beine zu machen. Der ESM wäre eine Art Wettbewerbsfähigkeitsministerium. Das braucht Europa viel dringender als ein Europäisches Finanzministerium.

(RP)
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