Deutsche Finanzaufsicht Bafin-Umbau ist ein Marathon

Frankfurt · Der neue Behördenchef Mark Branson sieht die Aufsicht erst in Jahren dort, wo sie sein sollte. Nach dem Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard im vergangenen Jahr soll alles besser werden.

 Mark Branson ist seit zwei Monaten Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Mark Branson ist seit zwei Monaten Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Foto: picture alliance/KEYSTONE/PETER KLAUNZER/DPA

Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde hat im Fall des zusammengebrochenen Finanzdienstleisters Wirecard im vergangenen Jahr viel öffentliches Vertrauen und Glaubwürdigkeit eingebüßt. Am Ende musste Felix Hufeld, bis dahin Präsident der Behörde, seinen Platz räumen. Nicht wenige hatten danach das Gefühl, der 60-jährige Jurist sei ungeachtet selbst eingestandener Fehler auch so etwas wie ein Bauernopfer für das Kontrollversagen der Aufsicht beim ehemaligen Dax-Konzern.

Sein Nachfolger heißt Mark Branson, war vorher Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma und ist seit Anfang August im Amt. Er sieht die Bafin noch ganz am Anfang eines Langstreckenlaufs, den sie bis zum Ende des Umbaus absolvieren müsse. „Es braucht Zeit, bis wir überall auf dem angestrebten Niveau ankommen. Aber die Richtung stimmt, und die Motivation ist hoch“, so Branson am Mittwoch in einer Videokonferenz.

Einstweilen bleibt noch manches offen im Masterplan für eine Behörde, die wegen der Vorgänge rund um die Bilanzmanipulationen im Hause Wirecard heftig in die Kritik geraten ist und deshalb auch den möglichen neuen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf in die Bredouille brachte. Das soll so nicht wieder passieren. Intensivere Kontrollen von Bilanzen; mehr Kompetenzen für den neuen Mann an der Spitze, der den Haushalt, den Personal- und Finanzmitteleinsatz verantwortet; moderne Technik bei der Jagd nach den Übeltätern – all das steht in einem Sieben-Punkte-Plan für die Zukunft. Aber es braucht offensichtlich viel Zeit. Branson hat die Öffentlichkeit am Mittwoch schon einmal darauf vorbereitet, dass es Jahre dauern werde, bis die Bafin da ankommen werde, wo ihr neuer Vordenker sie sehen möchte.

Die Unabhängigkeit vom Bundesfinanzministerium sieht der britisch-schweizerische Finanzmarktexperte und ehemalige Bankmanager Branson durchaus gewährleistet und verweist darauf, dass man Rechenschaft ablegen müsse, natürlich auch gegenüber dem Bundesfinanzministerium, als dessen Repräsentant Staatssekretär Jörg Kukies den Verwaltungsrat der Bafin führt. Kukies selbst betonte die operative Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde. Dass über zu viel Nähe zwischen Ministerium und Kontrollstelle überhaupt spekuliert wird, hat aktuell vor allem damit zu tun, dass Branson einen gemeinsamen Brief europäischer Notenbank-Chefs und Aufseher an die EU-Kommission nicht unterschrieb, in dem eine rasche und vollständige Umsetzung der Basel-III-Eigenkapitalregeln für Banken gefordert wird. Er sei klar für strenge Basel-III-Regeln, erklärte Branson am Mittwoch.

Was den Umbau angeht: Nach Angaben von Branson und Kukies sind zwei Drittel der im Zuge der Reform identifizierten Maßnahmen umgesetzt, ein Drittel stehe vor der Implementierung. Von den rund 150 neu geschaffenen Stellen seien 80 Prozent besetzt oder stünden kurz vor der Auswahl der Bewerber, so Kukies. Eine Taskforce, die sich ausschließlich aus Bafin-Personal rekrutieren soll, ist Mitte August an den Start gegangen; eine Hinweisgeberstelle ist eingerichtet. An die sollen sich sogenannte Whistleblower wenden und Unregelmäßigkeiten melden können, die ihnen auffallen. Diese Einrichtung arbeite bereits nach den Standards der EU-Hinweisgeberschutzverordnung, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung von Bafin und Finanzministerium. Ab dem kommenden Jahr sollen Bafin-Beschäftigte zudem Mystery Shopping betreiben. Dahinter verbergen sich Testkäufe, bei denen geschulte Mitarbeiter inkognito bei Unternehmen aus der Finanzbranche auftauchen, um sich beraten zu lassen oder Produkte zu Testzwecken zu kaufen. Ein eigens für den Verbraucherschutz eingesetzter Beauftragter soll unterstreichen, wie sehr sich die Bafin mehr Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben hat.

Damit, was die Bafin, ihr neuer Chef und ihr Verwaltungsratsvorsitzender Kukies in der Hinsicht angekündigt haben, ist nicht jeder uneingeschränkt zufrieden. „Nach den ungezählten Anleger- und Finanzskandalen der Vergangenheit muss das Thema Verbraucherschutz bei der Bafin auf oberster Ebene verankert werden. Dazu braucht es einen eigenen Geschäftsbereich mit einem eigenen Direktoriumsmitglied. Die Einsetzung eines Verbraucherschutzbeauftragten ohne schlagkräftigen Apparat löst die frappierenden Probleme nicht“, sagte der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Ohne einen echten Neustart beim Verbraucherschutz sei der nächste große Anlegerskandal nur eine Frage der Zeit, so der Finanzmarktexperte Giegold. Ansonsten gibt der Politiker dem neuen Bafin-Chef aber einen Vertrauensvorschuss mit auf den langen Weg: „Mark Branson verkörpert glaubhaft den überfälligen Kulturwandel bei der Bafin.“

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