Washington USA droht die Zahlungsunfähigkeit

Washington · Zugleich rückt die Fiskalklippe immer näher. Der konservative Flügel der Republikaner lehnt einen Kompromiss im Haushaltsstreit ab. Gelingt keine Einigung, werden im Januar automatisch die Steuern erhöht. Eine Rezession droht.

Mit einem letzten Anlauf versuchen sich Demokraten und Republikaner im amerikanischen Haushaltsstreit gegen die zu Neujahr drohende Fiskalklippe zu stemmen. Doch wenige Tage vor Jahresende sind die Fronten verhärtet. Präsident Barack Obama brach sogar seinen traditionellen Weihnachtsurlaub auf Hawaii ab und kehrte gestern vorzeitig nach Washington zurück, wie das Weiße Haus mitteilte. Damit will er dem Eindruck entgegenwirken, er vergnüge sich, während die Nation über die Fiskalklippe stürzt. Auch das Repräsentantenhaus will am Sonntag wieder zusammentreten. Der Internationale Währungsfonds warnte gestern die USA vor einem Scheitern der Verhandlungen.

Gelingt den Streithähnen bis zur Silvesternacht kein Durchbruch, drohen im neuen Jahr ein Anstieg der Steuersätze auf das Niveau der Clinton-Jahre, verbunden mit pauschalen Ausgabenkürzungen sowie dem Auslaufen des Arbeitslosengelds für Millionen Amerikaner.

Der unabhängige Rechnungshof des Kongresses hat ausgerechnet, dass die Kombination aus Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen der amerikanischen Wirtschaft rund 500 Milliarden Dollar entziehen und diese im ersten Halbjahr 2013 zurück in die Rezession stürzen würde. Damit verbunden stiege die Arbeitslosigkeit auf 9,1 Prozent.

"Zum ersten Mal glaube ich, dass wir wohl eher über die Fiskalklippe stürzen werden, als es nicht zu tun", sagte der parteilose Senator Joe Lieberman. Auch der republikanische Senator John Barrasso glaubt nicht an eine Einigung vor Neujahr. Dafür machte er das Weiße Haus verantwortlich. "Ich denke, der Präsident will aus politischen Gründen über die Klippe gehen."

Hauptstreitpunkt sind die geplanten Steuererhöhungen für Reiche. Obama will, dass private Haushalte mit einem Jahreseinkommen ab 400 000 Dollar, noch besser ab 250 000 Euro (190 000 Euro), künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Steuererleichterungen für die Mittelschicht will Obama dagegen beibehalten. Der republikanische Mehrheitsführer John Boehner hatte zuletzt eine Grenze von einer Million Dollar Jahreseinkommen für Steuererhöhungen angeboten. Doch nicht einmal dafür hat er seine Partei hinter sich. Die radikal-konservativen Abgeordneten der Tea-Party-Bewegung lehnt jede Erhöhung der Einkommensteuer ab.

Angesichts der verhärteten Fronten wird vor Jahresende nur noch eine "kleine" Lösung erwartet. Diese bestünde aus einer Beibehaltung der niedrigen Steuersätze für Bezieher von Einkommen unter 250 000 Dollar. Gleichzeitig würden die Leistungen für Langzeitarbeitslose verlängert und die Haushaltskürzungen verschoben. Die Zustimmung des Kongresses vorausgesetzt, könnte der Rest zusammen mit der anstehenden Erhöhung der Neuverschuldungsgrenze verhandelt werden.

Denn auch bei der Neuverschuldungsgrenze drohen neue Komplikationen: Finanzminister Timothy Geithner warnte, dass die USA bereits zum Jahresende erneut ihr Schuldenlimit erreichen. Der derzeitige Rahmen von 16,4 Billionen Dollar (12,4 Billionen Euro) sei am 31. Dezember ausgeschöpft. Zwar will Geithner nach eigenen Angaben durch Etat-Umschichtungen etwas zeitlichen Spielraum gewinnen. So will er unter anderem Zahlungen an Pensionsfonds zurückhalten. Doch Geithner machte auch deutlich, dass hier die Uhr tickt – sonst können die USA spätestens in zwei Monaten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Ein anderer denkbarer Ausgang des Fiskalstreits wäre die "Bungee"-Lösung, also ein Sturz von der Fiskalklippe, gefolgt von schnellen Verhandlungen Anfang des Jahres über niedrigere Steuersätze und differenzierte Sparmaßnahmen.

Doch Börsenhändler weltweit rechnen noch immer mit einer Einigung in letzter Minute. So legte der Dax gestern erneut leicht auf 7655 Punkte zu. Auch in Frankreich legten die Aktienkurse zu.

(dapd/dpa/spa)
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