Chef Thorsten Dirks im Interview "Jeder Dritte in der Region E-Plus-Kunde"

Düsseldorf · Der Mobilfunkmarkt ist heiß umkämpft – und das nicht nur bei den Smartphone-Anbietern, sondern auch bei den Netzbetreibern. E-Plus gibt es inzwischen seit 20 Jahren. E-Plus-Chef Thorsten Dirks sprach mit unserer Redaktion über seine Bilanz und die Herausforderungen der Zukunft.

Der Mobilfunkmarkt ist heiß umkämpft — und das nicht nur bei den Smartphone-Anbietern, sondern auch bei den Netzbetreibern. E-Plus gibt es inzwischen seit 20 Jahren. E-Plus-Chef Thorsten Dirks sprach mit unserer Redaktion über seine Bilanz und die Herausforderungen der Zukunft.

Herr Dirks, E-Plus wurde vor 20 Jahren gegründet. Ihre Bilanz?

Dirks Wir haben rund 1200 Arbeitsplätze hier in Düsseldorf und viele hundert bei Partnern geschaffen, wir haben 23 Millionen zufriedene Kunden und wir haben viel Bewegung in den deutschen Mobilfunkmarkt gebracht. Wir sind also sehr zufrieden.

Sie starteten gegenüber Telekom und D2 (jetzt Vodafone) als Nachzügler im Markt. Was hatte das für Folgen?

Dirks Wir mussten frecher und innovativer sein, um aufzuholen. Darum haben wir als erster Mitte der 90er die SMS aktiv vermarktet, wir waren die ersten im Jahr 1999 mit Minutenpaketen ("Time & More") , wir haben zuerst wirklich günstige Prepaid-Tarife mit Aldi-Talk oder Simyo eingeführt und haben mit Base und ähnlichen Angeboten der Flatrate zum Durchbruch verholfen. Und da unser Marktanteil von faktisch Null am Anfang auf mittlerweile schätzungsweise 20 Prozent bei den Kunden und rund 16 Prozent beim Umsatz gewachsen ist, bestätigt das unsere Strategie.

Wie wichtig ist Düsseldorf für Sie als Heimatstandort?

Dirks Als wir vor vier Jahren den Umzug unserer Firmenzentrale planten, hatten wir uns auch Berlin und Hamburg als Standorte angeschaut. Wir sind aus Überzeugung am Rhein geblieben: Düsseldorf und das Umfeld sind Deutschlands Mobilfunkzentrum. Hier sitzen Ericsson, Nokia, ZTE und Huawei sowie viele andere Firmen, das hilft uns bei der Suche nach Fachkräften und Kooperationen. Also zogen wir vom E-Plus-Platz in die nur einige hundert Meter entfernte E-Plus-Straße — es war damals eine nette Geste der Stadt, der neuen Straße hier am Flughafen unseren Namen zu geben.

Sie hatten Ende 2012 50 Mitarbeitern Aufhebungsverträge angeboten. Startet jetzt ein radikaler Sparkurs?

Dirks Nein, wir haben einige Abteilungen umgebaut, wie wir es immer wieder tun. Gleichzeitig suchen wir laufend neue Leute. Und da wir ebenso gut und teilweise besser zahlen als die Wettbewerber, finden wir auch die Talente, die wir brauchen.

Sorgen Sie sich vor Fachkräftemangel?

Dirks Das wird das große Thema aller Unternehmen. Wir tun darum einiges, um jungen Müttern — oder Vätern — z.B. eine schnelle Rückkehr nach der Babypause zu ermöglichen. Darum fördern wir flexible Arbeitszeiten und Home-Office. Da unsere Arbeitsbedingungen schon mehrfach prämiert wurden, mache ich mir über Nachwuchs aber keine Sorge.

Was hätte E-Plus im Rückblick anders machen müssen — immerhin fingen Sie bereits vor 17 Jahren als Ingenieur bei dem Unternehmen an und wurden dann 2007 Vorsitzender der Geschäftsführung.

Dirks Wir hätten von Anfang an mehr in das Netz investieren müssen. So bekamen wir den Makel, hinterherzuhinken. Tatsächlich haben wir in den vergangenen Jahren aufgeholt. Aktuell bieten wir aus Sicht der Kunden exzellenten Service: Das bestätigen eine Reihe neuer Testergebnisse, insbesondere eine Vergleichsuntersuchung von "Computerbild". Einige Tausend Leser hatten auf den vier Mobilfunknetzen mit Apps auf ihren Handys gemessen, wie gut Datenservices und Telefonie auf den Smartphones funktionieren. Dabei schnitten wir sehr gut ab.

Telekom und Vodafone glänzen mit der neuen Mobilfunktechnik LTE. E-Plus hat da nichts zu bieten.

Dirks LTE spielt im Moment für die Kunden keine Rolle. Wir können jedenfalls bereits jetzt auf dem bisherigen Mobilfunknetz (UMTS) die Daten mit einem Tempo von bis zu 21 Megabit/Sekunde übertragen — und perspektivisch mit 42 Mbit/s. Das reicht, um auf einem Smartphone ein HD-Video ohne jedes Ruckeln zu streamen.

Sie können doch nicht abstreiten, dass LTE eine überlegene Technik ist.

Dirks Auch wir werden LTE ausbauen. Aber nicht vorrangig, um Tempo anzubieten, sondern um die Kapazitäten speziell in den Städten und in deren Umfeld zu erhöhen. Dafür sind die von uns erworbenen Breitband-Frequenzen auch hervorragend geeignet. Die drei Wettbewerber haben dagegen vorwiegend Frequenzen ersteigert, die sich besonders gut für die Bespielung des flachen Landes eignen. Und da sahen wir für uns im ersten Schritt nicht den drängendsten Bedarf, wobei wir mit "flachem Land" andere Regionen als den am Ende relativ stark bevölkerten Niederrhein meinen.

Rüsten Sie die Netze auch in der Region auf?

Dirks Ja, wir haben nach unseren Berechnungen am Niederrhein inklusive Düsseldorf einen überdurchschnittlichen Marktanteil von 30-35 Prozent bei der Kundenzahl. Damit wir die besser bedienen können, werden praktisch alle Funkstationen mit Glasfaser bzw. Richtfunk angebunden. Damit können wir den jetzigen Verkehr mit dem aufgerüsteten UMTS-Netz und künftig auch mit LTE hervorragend bewältigen.

Sie wollen in einigen Jahren 20 Prozent des Mobilfunkumsatzes in Deutschland abrechnen, vier Prozent mehr als aktuell. Wie soll das gelingen?

Dirks Wir steigerten den Marktanteil bereits seit 2006 von zwölf Prozent auf etwa 16 Prozent. Genau diesen Sprung wollen wir wiederholen. Wir werden mehr in Vertrieb und Marketing stecken. Und wir setzen neue Produktschwerpunkte: Unsere vergangene Wachstumsphase verdanken wir vorrangig Angeboten wie Simyo, Aldi-Talk, blau.de oder Ethno-Angeboten wie Ay Yildiz , bei denen die Kunden ihre Gespräche im voraus bezahlen — oft auch per automatisch abgebuchter Lastschrift. Dank deren Angeboten sind wir bei Prepaid-Kunden Marktführer geworden.

Und künftig?

Dirks Nun starten wir endgültig mit Flatrates bei Vertragskunden durch. Base ist seit Jahren ein großer Erfolg, seit Sommer verkaufen wir unter den Marken Yourfone, Blau und simyo eine Flatrate in alle Netze inklusive mobilem Surfen für 19,90 Euro, und der Erfolg gibt uns recht: Wir haben im vierten Quartal mit rund 250.000 so viele neue Vertragskunden gewonnen wie seit 2005 nicht.

Vodafone hält mit der Tariffamilie "Red" dagegen.

Dirks Vodafone-Red ist ein interessantes Angebot, weil es einige Dienste wie Musik beinhaltet. Wenn die Kunden sich allerdings das Preis-Leistungs-Verhältnis insgesamt anschauen, bin ich gelassen.

Bei allen Ihren Flatrates fällt auf, dass Kunden ab einem bestimmten "verbrauchten" Datenvolumen das Tempo gedrosselt kriegen. Verabschiedet der Vorreiter der Flatrates so die echten Flatrates?

Dirks Bei Sprache bleibt es bei den uneingeschränkten Flatrates — selbst wenn manche Kunden stundenlang plaudern, stecken die Netze das locker weg. Aber bei der Datennutzung unterscheiden sich die Nutzer extrem: Viele sind mit dem Datenvolumen zufrieden, das wir im Flatrate-Paket für schnelles Tempo vorgesehen haben. Aber es gibt auch Kunden, die mehr Daten nutzen wollen. Denen bieten wir bei Yourfone beispielsweise für jeweils fünf Euro ein Upgrade auf ein Gigabyte Volumen an. Die Kunden haben so die Wahl, was ihnen wichtig ist — nur um Mails aufzurufen oder eine Internet-Seite anzuschauen, reicht in der Regel das Inklusivvolumen und danach ja mit Abstrichen auch sogar das heruntergedrosselte Tempo.

Der Download nur eines Films für einen Laptop verschlingt mehrere Gigagyte.

Dirks Wir sprechen Nutzer von Laptops bewusst nicht offensiv als Kunden an. Wenn die Wettbewerber DSL-Anschlüsse mit Mobilfunkverträgen ersetzen wollen, sollen sie das tun — wir halten unsere Kapazitäten lieber frei für Smartphones und teilweise Tablet-PC.

Die Telekom hat im 4. Quartal vergangenen Jahres pro gehaltenem Mobilfunkkunden 250 Euro ausgegeben — meist, um Vertragsverlängerungen mit schicken Smartphones zu belohnen. Was bedeutet das?

Dirks Der Wettbewerb verschärft sich. Wir lehnen es trotzdem weiterhin ab, Kunden generell mit subventionierten Smartphones zu ködern. Denn am Ende zahlt der Kunde mit einer höheren Monatsrechnung drauf.

In Wahrheit verkaufen Sie seit mindestens einem Jahr als Ergänzung zur Ihren Flatrates ebenfalls Smartphones und verabschieden sich damit von der Idee "reine Mobilfunkverträge" zu verkaufen.

Dirks Einspruch: Immer mehr Kunden wollen einen Sim-Only-Vertrag und kaufen sich ihr Smartphone unabhängig davon. Gleichzeitig stimmt es, dass viele Kunden weiterhin von ihrem Mobilfunkanbieter die Smartphones angeboten haben wollen: Das machen wir gerne: In den rund 800 Shops, im Handel oder auch Online. Und wenn wir dabei anbieten, den Kaufpreis der Geräte über zwei Jahre vorzustrecken und vom Kunden monatlich abbezahlen zu lassen, ist das ein Entgegenkommen, aber keine Subvention.

Im 4. Quartal stürzte aber auch Ihre Gewinnmarge vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) von 42 Prozent auf nur noch 38 Prozent ab. Zeigt dies nicht, dass E- Plus unter Druck ist?

Dirks Zunächst einmal hatten wir mit den 42 Prozent alle Wettbewerber abgehängt. Jetzt investieren wir verstärkt in Wachstum. Darum rechnen wir vorübergehend mit einem niedrigeren Ebitda. Doch mit der steigenden Wirkung der Wachstumsinitiativen wird das Ebitda mittelfristig bei 30 bis 35 Prozent liegen. Damit lägen wir weiterhin deutlich besser als beispielsweise O2 und weiter in der gleichen Liga wie Telekom und Vodafone.

Aus Sicht Ihrer Aktionäre ist die Kapitalrendite das Entscheidende, immerhin hat Ihr niederländische Mutterkonzern KPN seit vier Jahren 75 Prozent seines Wertes verloren. Verdient E-Plus auf das eingesetzte Kapital und auch die künftigen Investitionen denn wenigstens rund sechs Prozent nach Steuern, um eine mögliche Meßlatte zu nennen.

Dirks Unsere Kapitalrendite weisen wir nicht aus. Aber selbst bei Investitionen von rund 600 Millionen Euro wie im vergangenen Jahr werden wir einen signifikanten Wertbeitrag über unsere Kapitalrendite bringen. Sonst hätten wir das aktuell geplante Investitionsprogramm ja nicht vorgenommen.

Um Ihre Investitionen sowie eigene Ausgaben zu finanzieren, sammelt Mutterkonzern KPN mit einer Kapitalerhöhung rund vier Milliarden Euro ein. Wäre es nicht besser gewesen, E-Plus wäre eigenständig an die Börse gegangen, um Geld einzusammeln — so wie es 02 aus München vor fünf Monaten gemacht hat?

Dirks Bei 02 wurde nur ein Fünftel des Kapitals an die Börse gebracht, weiteres Geld besorgte sich Mutterkonzern Telefonica mit einer Reihe anderer Maßnahmen. KPN hat sich für eine Kapitalerhöhung und eine Hybrid-Anleihe entschieden, statt beispielsweise einen Teil von E-Plus an die Börse zu bringen. Das zeigt, dass E-Plus für KPN ein wichtiger Bestandteil des Kerngeschäfts ist.

Es hätte für Sie persönlich doch auch seinen Reiz, wenn E-Plus als eigene Firma an der Börse wäre.

Dirks Als KPN-Vorstand bin ich doch bereits Vorstand eines börsennotierten Konzerns. Aber meine persönlichen Interessen zählen hier nicht. Wichtig ist, die Zukunftsfähigkeit der Gruppe zu sichern. Und dafür hat KPN einen wichtigen Schritt für seine Finanzposition und für die Bereitstellung notwendiger Investitionsmittel für künftige Services gemacht.

Die Fragen stellte Reinhard Kowalewsky.

(das/csi)
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