Krisenkonzern mit Milliarden-Verlust Bund und Land bieten Hilfe für Thyssenkrupp an

Düsseldorf · Die Corona-Krise verschärft die Lage des Konzerns. 30.000 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Der Erlös aus dem Verkauf der Aufzugsparte könnte nötig sein, um die Löcher bei anderen Töchtern zu stopfen. Weiterer Jobabbau droht.

 Hochofen von Thyssenkrupp in Schwelgern.

Hochofen von Thyssenkrupp in Schwelgern.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Niedergang von Thyssenkrupp setzt sich fort: Im ersten Halbjahr machte der Ruhrkonzern einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro. Und es wird noch schlimmer werden: Im dritten Quartal, das bis Ende Juni läuft, sei ein Verlust bis hin zu einer Milliarde Euro nicht auszuschließen, sagte der neue Finanzvorstand Klaus Keysberg vor Journalisten. Zu den Problemen der Stahlsparte kommt die Corona-Krise hinzu, die die Nachfrage der Autoindustrie einbrechen lässt. „Die Pandemie stellt uns vor gewaltige Herausforderungen, noch ist das ganze Ausmaß der Krise für unsere Geschäfte nicht vollständig absehbar“, sagte Konzern-Chefin Martina Merz. Dies werde „sehr tiefe Spuren“ hinterlassen.

In einem Brief an die Mitarbeiter hatte sie bereits gewarnt, es dürfe nichts mehr ausgeschlossen werden. Das dürfte sich vor allem auf eine Verschärfung des Stellenabbaus und Verkäufe beziehen. Bislang hatte der Konzern angekündigt, bis 2021/22 rund 6000 der 160.000 Arbeitsplätze abzubauen, davon 2000 im Stahlbereich. Bis 2025/26 sollen weitere 1000 Stahljobs wegfallen. Daraus dürften bald noch mehr Stellen werden, wie auch Personalvorstand Oliver Burkhard schon angedeutet hatte.

Denn alles, was wichtig ist, ist rot bei Thyssenkrupp: Der Cashflow liegt (auch wegen einer Kartellbuße bei Grobblechen) bei minus 2,7 Milliarden Euro. Die Nettoschulden sind auf 7,5 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Die Stahlsparte macht einen Verlust von 372 Millionen. Die Aktie stürzte zeitweise um 18 Prozent ab auf 4,05 Euro, Händler sprachen von einem Desaster. 2007 stand sie bei 45 Euro.

Um die Liquidität zu sichern, hat sich Thyssenkrupp einen Kredit über eine Milliarde Euro aus dem Rettungsschirm der Förderbank KfW gesichert. Nun hofft Martina Merz auf die Zahlungen aus dem Verkauf des Aufzugsgeschäfts: Für 17 Milliarden Euro soll es an die Finanzinvestoren Advent und Cinven sowie die RAG-Stiftung gehen. Von den 13 erforderlichen Kartellfreigaben lägen bereits acht vor, sagte Keysberg. Auch bei der EU habe man den Deal angemeldet. „Wir erwarten den Abschluss des Verkaufs bis Ende September“, so der Finanzvorstand.

Thyssenkrupp Elevator ist die Ertragsperle des Konzerns. Sie lieferte als einzige Sparte im ersten Halbjahr einen nennenswerten Gewinn ab, nämlich 402 Millionen Euro. Keysberg erwartet nicht, dass die Investoren wegen der Corona-Krise den Deal noch einmal aufschnüren: „Der Verkauf ist durchverhandelt, die Finanzierung steht.“ Allerdings sollen die Finanzinvestoren laut Branchenkreisen versuchen, das Ganze für sie günstiger zu machen, indem sie weitere Geldgeber an Bord holen und so den Fremdkapital-Anteil erhöhen. Für die 53.000 Mitarbeiter von Elevator wäre das keine gute Nachricht: Damit würde der Druck steigen, hohe Ausschüttungen an die neuen Eigentümer zu leisten.

Wenn die Stahlkrise weitergeht, ist das Geld aus dem Elevator-Verkauf ohnehin bald weg. „Die Erlöse aus dem Verkauf der Aufzugssparte schmelzen wie Butter in der Sonne“, sagte Michael Muders, Fondsmanager bei Union Investment. Der Handlungsbedarf sei dringender denn je. Das sehen auch Bund und Land so. Das Bundeswirtschaftsministerium signalisierte Hilfe. „Zum Thema Thyssenkrupp gilt das Gleiche wie für alle Unternehmen: Wir haben einen historischen Schutzschirm für die Unternehmen aufgespannt, um sie bestmöglich während der Corona-Krise zu unterstützen und die wirtschaftliche Substanz in Deutschland zu erhalten“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. „Dazu wenden wir verschiedene Instrumente und Maßnahmen an, wie Zuschüsse, Kredite, Bürgschaften und Kapitalerhöhungen.“

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte zuvor im Interview mit unserer Redaktion gesagt, man stemme sich gegen das Schreckensszenario einer Deindustrialisierung. „Wir brauchen eine Perspektive für die Stahlindustrie. Sie können wir mit der Wasserstofftechnologie stärken, ähnlich wie bei der Autoindustrie die Elektromobilität durch einen Nachhaltigkeitsfaktor. So können wir auch die Konjunktur ankurbeln.“ Laschet sitzt auch im Kuratorium der Krupp-Stiftung.

Auch Thyssenkrupp selbst versucht gegenzusteuern und hat mittlerweile weltweit 30.000 seiner 160.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt – zunächst bis August. Zudem prüft der Konzern den Verkauf weiterer Töchter. Man sei in informellen Gesprächen über die Konsolidierung der Werftentochter Marine Systems, so Keysberg. Am Montag kommt der Aufsichtsrat zusammen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort