Wegen Krieg und Inflation Onlinehandel verliert an Dynamik

Düsseldorf · Krieg und Inflation zehren auch im Netz an der Konsumlust der Deutschen. Der Versanhandels-Verband hat seine Wachstumsprognose von zwölf Prozent aus dem Januar gestrichen und will derzeit keine Voraussage wagen.

 Die Menschen bestellen weniger im Internet. 

Die Menschen bestellen weniger im Internet. 

Foto: dpa/Tom Weller

Seit Beginn der Corona-Krise vor rund zwei Jahren kaufen die Menschen noch stärker im Internet ein als vor dem Ausbruch der Pandemie. Das hat dem gesamten deutschen Einzelhandel in Zeiten von Lockdown und Zwangsschließungen gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel das Wachstum gerettet. Doch in Zeiten des Krieges und mit einer enorm hohen Preissteigerungsrate in Deutschland lässt auch im Onlinehandel die Wachstumsdynamik nach. Das zeigt ein Vergleich der Zahlen vor dem 24. Februar mit denen danach. Bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine wuchs das E-Commerce-Geschäft im Jahresvergleich um 11,5 Prozent, danach gab es nur noch ein Plus von 2,3 Prozent, wie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) berichtet.

Dabei ist der Onlinehandel gespalten. „Der Blick auf den Umsatz zeigt nicht, wie unterschiedlich die Unternehmen der Branche dieses Jahr erleben“, erklärte Martin Groß-Albenhausen, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BEVH. „Es gibt Onlinehändler, die weiterhin wachsen, und es gibt andere, die im zweistelligen Prozentbereich Umsatz abgeben. Es gibt Unternehmen, die Versorger oder Lieferant von dringend benötigten Gütern sind und deshalb mehr Nachfrage erfahren, und solche, deren Sortiment für die Menschen aktuell kaum relevant erscheint“, so Groß-Albenhausen.

Zu denen, die die zumindest vorübergehend nachlassende Dynamik mit am härtesten trifft, gehört der Handel mit Bekleidung und Schuhen. Bis zum Kriegsbeginn hatte die Sparte etwa zehn Prozent zugelegt, seither verlor sie 8,6 Prozent. Bleibt ein Plus von 3,2 Prozent – zu wenig für eine Handelssparte, die im Präsenzhandel mit am stärksten von den Corona-Maßnahme betroffen war.

Was deutlich besser läuft, sind all jene Waren, die den täglichen Bedarf der Menschen abdecken. Und einen geradezu sprunghaften Anstieg verzeichnet der Einkauf von Medikamenten im Internet. Um mehr als 40 Prozent ist der Handel mit Arzneien im Netz seit Ende Februar gewachsen, für das gesamte erste Quartal steht damit ein Plus von mehr als 23 Prozent auf etwa 407 Millionen Euro zu Buche. „Die Menschen horten die Medikamente“, erklärt ein BEVH-Sprecher auf Anfrage. Und auch Reisebuchungen boomen, wenngleich aus der Verdoppelung der Buchungszahlen bis Ende Februar „nur“ noch ein Umsatz von 64 Prozent im gesamten Quartal übrig geblieben ist.

Insgesamt trifft jedenfalls die mangelnde Konsumstimmung auch die Onlinekunden in Deutschland. Das heißt: Es gibt keine Wanderbewegung hin zu den stationären Händlern, die ja selbst teilweise die mangelnde Konsumlust beklagen. Der BEVH, der im Januar noch ein Umsatzwachstum von zwölf Prozent für das laufende Jahr vorausgesagt hatte, hat diese Prognose komplett kassiert. „Das volle Ausmaß der Verbraucherverunsicherung – aufgrund der Kriegshandlungen mit ihren absehbaren Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung, auf Preise und Versorgung auch in Deutschland – wird sich erst in den kommenden Monaten mit den Mitteln der Marktforschung detailliert nachzeichnen lassen”, so Verbandsgeschäftsführer Groß-Albenhausen.

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