München Ifo-Institut erwartet "prächtige" Konjunktur

München · Fünfmal so stark wie dieses Jahr wächst die Wirtschaft in 2014, glaubt Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Die Binnennachfrage bleibt stabil, die Exporte boomen ziehen weiter an. Den neuen Mindestlohn kritisiert der Ökonom aber scharf.

Mit einem scharfzüngigen Buch hat sich Hans-Werner Sinn unter Deutschlands Ökonomen einen Namen gemacht: In "Kaltstart" warnte er mit seiner Frau im Jahr 1991 vehement davor, die Löhne in den neuen Bundesländern zu schnell in Richtung West-Niveaus zu drücken. Keiner hörte darauf, viele hunderttausend Arbeitslose waren die Folge.

Nicht ganz so drastisch, aber trotzdem sehr klar äusserte sich der Chef des Münchener Ifo-Instituts nun gestern zu den Folgen des geplanten gesetzlichen Mindestlohns über alle Branchen hinweg. Es handele sich um einen "historischen Fehler", der nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorübergehen werde. Durch Mindestlöhne werde die Agenda 2010, die maßgeblich zum deutschen Jobwunder der vergangenen Jahre beigetragen habe, "rückabgewickelt". "Alles, was wir erreicht haben am Arbeitsmarkt, wird damit zurückgedreht."

Doch trotz des "Hammers" Mindestlohn gibt sich Sinn für die deutsche Ökonomie optimistisch. "Die Konjunkturaussichten für das nächste Jahr sind prächtig. Das ist das Geschenk vom Weihnachtsmann." Die Arbeitslosigkeit werde 2014 von 6,9 Prozent auf 6,8 Prozent sinken. Denn die "erheblichen Bremswirkungen des Mindestlohnes" kämen erst später.

Insgesamt erwarten Sinn und sein Institut in 2014 ein Wachstum von 1,9 Prozent — viermal mehr als dieses Jahr, so gut wie seit mehr als fünf Jahren nicht. Um immerhin 1,5 Prozent legt der private Konsum zu — steigende Löhne in vielen Branchen und der Optimismus vieler Menschen machen sich bemerkbar.

Die Investitionen im Bau wachsen um 3,8 Prozent — auch die niedrigen Zinsen treiben die Aufträge hoch.

Die Anlageinvestitionen der Industrie steigen um 4,5 Prozent, weil die Unternehmen ihre Kapazitäten langsam erweitern.

Und am meisten fallen die erneut steigenden Exporte auf: Sie könnten trotz Eurokrise um fast sechs Prozent zulegen, prognostiziert das Ifo-Institut. Auf 206 Milliarden Euro würde der deutsche Exportüberschuss springen — fast 3000 Euro pro Bundesbürger. Und Deutschland würde mit einem Exportüberschuss von 7,2 Prozent erneut höher liegen als die von der EU für das volkswirtschaftliche Gleichgewicht als unbedenklich gesehene Grenze von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung.

Interessanterweise sieht Sinn diese immer weiter wachsenden deutschen Exportüberschüsse aber ähnlich kritisch wie EU und südliche Mitgliedsländer der EU. "Deutschland muss teurer werden, damit der Süden wieder wettbewerbsfähiger wird", konstatiert er nüchtern.

Denn Sinn sieht die Euro-Krise als alles andere als überwunden an. Frankreich "dümpele" nur so dahin, Italien sei "nahezu die Katastrophe". In Spanien habe der Abwärtstrend womöglich sein Ende erreicht, in Griechenland hingegen noch lange nicht — insgesamt schaffe Europa dieses Jahr nur ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent.

Richtig gesund seien die Krisenländer erst, wenn sie wieder Überschüsse in der Leistungsbilanz schafften. "Das ist noch ein sehr, sehr weiter Weg", sagte Sinn.

Weil Währungsunion und hohe Verschuldung vielen Euro-Ländern Wachstum schwer machen, plädiert der streitbare Wirtschaftsprofessor für zwei radikale Schritte.

Ausgewählten Ländern sollte der zeitweise Austritt aus dem Euro erlaubt werden. Nach einer faktischen Abwertung könnten sie mehr exportieren und dann zu einem anderen Umtauschverhältnis wieder in den Euro zurückkehren.

Auf einer Schuldenkonferenz für Europa könnten außerdem Kredite getilgt werden. So kommt Sinn auf ein Lieblingsthema zurück: Die Deutschen würden sich mit ihrem Stolz auf die Exportüberschüsse etwas vormachen: Die verkauften Produkte würden sie zu einem großen Teil mit verliehenem Geld bezahlen. Doch die Kredite würden nie ganz zurückgezahlt — also kann man die Kredite auch sofort senken.

(RP)
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