Interview mit Horst-Werner Maier-Hunke "Ich höre als Präsident von Metall NRW auf"

Horst-Werner Maier-Hunke, Präsident des Arbeitgeberverbands Unternehmer NRW, im Gespräch mit unserer Redaktion über seinen Nachfolger bei Metall NRW, die Arbeit der Landesregierung, Tomaten als Wurfgeschosse, den Missbrauch von Werkverträgen und die schwierige Umsetzung industrieller Großprojekte.

 Horst-Werner Maier-Hunke kündigt seinen Rückzug an: Beim größten Arbeitgeberverband des Landes, Metall NRW, steht ein Führungswechsel an.

Horst-Werner Maier-Hunke kündigt seinen Rückzug an: Beim größten Arbeitgeberverband des Landes, Metall NRW, steht ein Führungswechsel an.

Foto: dpa

Herr Maier-Hunke, Sie stehen seit zehn Jahren an der Spitze von Unternehmer NRW, seit acht Jahren an der von Metall NRW. Wie lange möchten Sie sich beide Jobs noch antun?

Maier-Hunke Ich werde heute bei der Mitgliederversammlung von Metall NRW nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren. Ich habe mich dazu entschlossen, weil das operative Geschäft meines Unternehmens mich zunehmend fordert. Bald beginnt die Tarifrunde 2015, da ist es jetzt ein guter Zeitpunkt, den Staffelstab weiterzugeben. Bei Unternehmer NRW kandidiere ich noch einmal für zwei weitere Jahre.

Warum machen Sie dort weiter?

Maier-Hunke Wir sind mitten in der Legislaturperiode und stehen vor entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts NRW — etwa das Hochschulzukunftsgesetz, die Landesentwicklungsplanung oder die verfehlte Umweltpolitik der Landesregierung. Diesen Themen möchte ich mich mit ganzer Kraft widmen.

Wer soll Ihr Nachfolger bei Metall NRW werden?

Maier-Hunke Ich werde im Einvernehmen mit den Vizepräsidenten und den übrigen Mitgliedern des Vorstandsrats Arndt Günter Kirchhoff, den Vorstandschef eines weltweit operierenden Familienunternehmens der Automobilzulieferindustrie aus Attendorn, als meinen Nachfolger vorschlagen.

Wie viel Erfahrung bringt er für das schwierige Feld der Tarifverhandlungen mit?

Maier-Hunke Als Vizepräsident der BDA und als Mitglied des Präsidiums des BDI hat Arndt Kirchhoff eine große Erfahrung im Umgang mit sozial- und wirtschaftspolitischen Themen. Er ist ein Familienunternehmer, der Sozialpartnerschaft auch in seinen Betrieben lebt. Ich bin deshalb überzeugt, dass er sich schnell in seine neue Aufgabe einarbeiten wird.

Was ist rückblickend das Besondere an Ihrer Amtszeit als Verhandlungsführer in der Metall- und Elektroindustrie?

Maier-Hunke Als ich kam, war das Klima zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern noch viel konfliktreicher. Hier und da wurde sogar noch mit Tomaten geworfen. Es hat dann aber ein Umdenken stattgefunden, so dass man sich inzwischen vor allem mit Argumenten auseinandersetzt. Ohne das gewonnene Vertrauen wäre der Pilot-Abschluss 2010 inmitten der Krise, den ich hier in NRW mit Oliver Burkhard ausgehandelt habe, nie möglich gewesen. Dadurch wurden in der schwersten Rezession der Nachkriegszeit Tausende Jobs gesichert. Ob Detlef Wetzel, Oliver Burkhard oder Knut Giesler: Mit allen drei IG-Metall-Bezirksleitern hatte ich während meiner Amtszeit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und dennoch: Natürlich ist nicht immer alles eitel Freud‘ und Sonnenschein.

Etwa beim Thema OT-Mitgliedschaften. Die Gewerkschaft kritisiert, dass man als Unternehmer zwar Ihrem Verband angehören kann, aber nicht der Tarifbindung unterliegt.

Maier-Hunke Diese Entwicklung hat ihren Ursprung in den späten 90er Jahren, als die IG Metall die Unternehmen mit einer überzogenen und zu starren Tarifpolitik überforderte. Mancher Betrieb ist dann in den OT-Verband ausgewichen. Allerdings haben einige Unternehmen aber auch bequeme Auswege zur Tarifumgehung gesucht. Unser Ziel ist es heute, den Flächentarif zu stärken und wieder mehr Unternehmen in den Tarif zu bringen — das geht nur durch Tarifabschlüsse, die Luft zum Atmen lassen. Außerdem wird der Fachkräftemangel dazu führen, dass wieder mehr Firmen nach Tarif zahlen werden. Abgesehen davon: Die meisten OT-Unternehmen orientieren sich schon heute am Tariflohn. Da gibt es allenfalls geringe Abweichungen.

Die IG Metall nutzt — wie schon so oft — die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie als Experimentierfeld. Sie verlangt mehr Mitsprachen bei den Werkverträgen. Wie groß ist die Gefahr, dass die IG Metall das Thema auch bei M+E angehen könnte?

Maier-Hunke Werkverträge und Zeitarbeit sind zwei Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche arbeitsteilige und flexible Wirtschaft. Wir haben jedoch immer die Position gehabt, dass der Einsatz von Werk- und Zeitverträgen in einem Unternehmen stets in einem vernünftigen Verhältnis zur Stammbelegschaft stehen muss. Natürlich ist es Aufgabe der IG Metall, Missstände anzuprangern. Um es klar zu sagen: Verwerfungen wollen wir hier auch nicht. Auch deshalb haben wir erst kürzlich einen Ehrenkodex in NRW verabschiedet. Da steht klar drin, dass wir bei Metall NRW den Missbrauch von Werkverträgen entschieden ablehnen.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns steht bevor. Wie wird sich der in der Metall- und Elektroindustrie bemerkbar machen?

Maier-Hunke Abgesehen von unserer grundsätzlichen Ablehnung des gesetzlichen Mindestlohns machen wir uns große Sorgen um unsere Qualifizierungsmaßnahmen für Jugendliche, die noch nicht ausbildungsreif sind. Derzeit bereiten wir viele von ihnen zwölf Monate lang in den Unternehmen auf die Ausbildung vor. Wenn sie sich dabei bewähren, erhalten sie im Anschluss eine Lehrstelle. Würde für sie der Mindestlohn gelten, könnten wir das nicht mehr anbieten.

Die Koalition in Berlin will neben dem Mindestlohn auch ein Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg bringen, wonach es nur noch einen Tarifvertrag pro Unternehmen geben darf. Zweifeln Sie daran, dass Schwarz-Rot eine verfassungsrechtlich saubere Lösung dafür hinbekommt?

Maier-Hunke Bei aller berechtigten Kritik an der Großen Koalition: Ich gehe davon aus, dass sie Wort hält und es noch in dieser Legislaturperiode eine vernünftige Lösung geben wird.

Im Land wird es immer schwieriger, wirtschaftliche Großprojekte umzusetzen. Was muss sich ändern?

Maier-Hunke Keine Frage: Bei vielen Großprojekten müssen die Bürger besser mitgenommen werden. Auch wir in unseren Unternehmen sind hier gefordert. Das Ganze muss aber nach gewissen Spielregeln ablaufen, damit sich Genehmigungsverfahren nicht endlos in die Länge ziehen. Sonst wandern die Unternehmen ab oder verzichten auf dringend nötige Investitionen. NRW muss wegen seiner Regierungskonstellation — insbesondere wegen des Auftretens des Umweltministers — aufpassen, dass es bei der Zukunftsfähigkeit nicht noch weiter hinter anderen Bundesländern zurückfällt.

(plü)
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