Bundeskongress in Berlin DGB läutet Führungswechsel ein

Berlin · Bundespräsident Gauck würdigt die Arbeit von Michael Sommer und verlangt mehr Engagement für die junge Generation.

 Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Arbeit des scheidenden DGB-Chefs Michael Sommer.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Arbeit des scheidenden DGB-Chefs Michael Sommer.

Foto: dpa, rje pzi

In Berlin ist am Sonntag der 20. Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) eröffnet worden. Wichtigster Programmpunkt der einwöchigen Veranstaltung mit 400 Delegierten und zahlreichen Gästen: die Neuwahl eines neuen Bundesvorsitzenden. Der aus Büderich stammende und in Berlin aufgewachsene Michael Sommer, der seit 2002 die Geschicke des Dachverbandes der größten deutschen Gewerkschaften führt, tritt ab. Sein Nachfolger wird der ebenfalls aus NRW stammende Reiner Hoffmann, bis Anfang des Jahres Vorsitzender des einflussreichen IG BCE-Bezirks Nordrhein.

Bevor Hoffmann am Montag ins Amt gewählt wird, stand der Sonntag ganz im Zeichen des Sommer-Abschieds. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Arbeit des scheidenden DGB-Chefs: "Danke, lieber Herr Sommer, für Ihre Hingabe und Hartnäckigkeit, für Ihre Weitsicht und auch für Ihre Kompromissbereitschaft", sagte Gauck und fügte einen persönlichen Wunsch an: "Bitte nehmen Sie das mit dem Ruhestand nicht allzu wörtlich. Ihre Stimme würde fehlen."

 Der scheidende DBG-Vorsitzende Michael Sommer.

Der scheidende DBG-Vorsitzende Michael Sommer.

Foto: dpa, rje pzi

Der frühere Postgewerkschafter Sommer hatte angekündigt, sich aus Rücksicht auf seinen Nachfolger nicht weiter in das aktuelle Tagesgeschäft einmischen zu wollen. Ganz still dürfte es um ihn aber nicht werden: Sommer will seine Funktion als Vorsitzender des Internationalen Gewerkschaftsbundes weiter ausüben. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und Aufsichtsrat der Telekom. Der scheidende DGB-Vorsitzende hinterlässt seinem Nachfolger Hoffmann eine gesunde Organisation: Der Mitgliederschwund bei den DGB-Gewerkschaften scheint gestoppt zu sein.

Verdi, IG Metall und IG BCE verzeichnen sogar Mitgliederzuwächse. Zudem hat sich die schwarz-rote Koalition darauf verständigt, mehrere Herzensanliegen der Gewerkschaften ins Gesetzblatt zu bringen. Sommer appellierte dennoch in seiner Rede an die Mitglieder, bei den Themen Mindestlohn und Rente mit 63 am Ball zu bleiben: "Wir sind zwar kurz vor der Zielgeraden, aber noch nicht durch. Haltet den Druck aufrecht." Sein erklärtes Ziel war es, dass es bei seinem Abgang bereits ein Gesetz zum flächendeckenden Mindestlohn gebe. Dieses Ziel hat Sommer haarscharf verfehlt.

Auch der Bundespräsident nutzte seinen Auftritt vor den Delegierten für einige klare Worte in Richtung Gewerkschafter und Politik. So warnte er mit Blick auf die Spartengewerkschaften, also jene Kleinorganisationen, in denen sich schlagkräftige Berufsgruppen wie Piloten, Ärzte, Fluglotsen oder Lokführer zusammenschließen, vor einer "Entsolidarisierung": Es dürfe nicht "zu einer Beschädigung des deutschen Modells kommen, indem einzelne Berufsgruppen ihre Schlüsselstellung missbrauchen, um Eigeninteressen gegen Gemeininteressen durchzusetzen". Die Aussage ist deshalb so bemerkenswert, weil es an Gauck sein wird, ein von der Koalition versprochenes Gesetz zur Tarifeinheit zu unterzeichnen, das eben die Rechte der Spartengewerkschaften einschränken würde - ein verfassungsrechtlich höchst schwieriger Vorgang. "Ich verfolge die Diskussion mit großem Interesse", fügte Gauck deshalb hinzu.

 Der designierte DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

Der designierte DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

Foto: dpa, rje pzi

Zudem nutzte der Bundespräsident seine Rede zu einem eindringlichen Appell zu mehr Engagement für die jüngeren Generationen: "Sind die Gewerkschaften darauf vorbereitet, die Lobby der Lebensälteren - einer deutlich wachsenden Gruppe - und die Anliegen der Jugend auszutarieren?" Es handele sich bei dem Problem des demografischen Wandels um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Mit Blick auf die kommenden Wahlen äußerte der Bundespräsident die Befürchtung, dass die Politik zu stark auf die Belange der Älteren eingehen werde und das Wohl der nachfolgenden Generationen aus dem Auge verliere: "Als Großvater und Urgroßvater mache ich mir Sorgen um die Jungen - und auch als Bundespräsident."

(maxi)
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