Konjunktur EZB bleibt in Alarmbereitschaft

Frankfurt · Europas Währungshüter stemmen sich bereits mit Milliarden gegen die wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie. Vorerst legt die Zentralbank nicht nach, auch wenn die Risiken für die Konjunktur weiterhin hoch sind.

EZB bleibt in Alarmbereitschaft
Foto: dpa/Boris Roessler

FRANKFURT Die Preissteigerung ist kaum spürbar, Europas Wirtschaft leidet weiter unter der Corona-Krise, die Gemeinschaftswährung gewinnt an Wert – aber die Europäische Zentralbank (EZB) hält noch still. Noch. Bis Mitte des kommenden Jahres fließen unverändert Milliarden in dasNotkaufptrogramm (insgesamt 1,35 Billionen Euro), bei dem die Währungshüter Staats- und Unternehmensanleihen kaufen. Die Zinsen lässt die EZB bei null.

 „Die aktuellen Daten signalisieren eine starke Erholung“, sagte Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rats. Diese aber seien noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt. „Die Stärke der Erholung ist nach wie vor unsicher, da sie weiterhin in hohem Maße abhängt von der künftigen Entwicklung der Pandemie und dem Erfolg der Eindämmungs-Politik.“ Die EZB-Experten rechnen für 2020 mit einem Einbruch um acht Prozent. Im Juni hatten sie ein Minus von 8,7 Prozent erwartet. Für die nächsten beiden Jahre prognostiziert die Zentralbank einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im Euroraum von fünf beziehungsweise 3,2 Prozent für 2022 voraus, das ist etwas geringer als zunächst prognostiziert.

„Die EZB fährt weiter auf der Vorsichtsschiene“, sagt Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, „trotz angehobener Wachstumsprognose für 2020 hat sie ihre Konjunkturskepsis beibehalten.“ Und deshalb bleibt die Notenbank bei ihrer lockeren Geldpolitik. Sie werde die Wirtschaft weiter unterstützen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugen, versicherte Lagarde: Es gebe Umstände, unter denen Kaufprogramme effizienter sind, um die Ziele zu erreichen, aber andere, in denen eine Veränderung der Zinsen besser wirke.

Die EZB hält aktuell die Kaufprogramme für wirkungsvoller. Mit dem Aufkauf von Wertpapieren am Finanzmarkt bringt sie Liquidität in die Märkte. Das soll den Unternehmen helfen, besser durch die Krise zu kommen, und sie anregen, zu investieren. Zur Bekämpfung der Auswirkungen der Coronakrise hatte sie im März das Kaufprogramm Pepp aufgelegt, das inzwischen ein Volumen von 1,35 Billionen Euro hat. Das werde man ausschöpfen, versicherte Lagarde, über eine Erhöhung des Volumens habe man am Donnerstag jedoch nicht diskutiert.

Sorgen macht sich die EZB offensichtlich auch über den hohen Euro-Wechselkurs. Die EZB verfolge zwar kein Wechselkursziel, ihr Mandat sei die Preisstabilität, machte Lagarde immer wieder deutlich. Aber besorgt ist sie offenbar schon. Denn der hohe Eurokurs übt einen negativen Druck auf das Preisniveau aus. Waren aus dem Ausland sind damit im Euroraum günstiger. „Der Wechselkurs ist nicht Ziel unserer Geldpolitik, deshalb werde ich auch seine Höhe nicht kommentieren“, sagte die EZB-Chefin, fügte jedoch hinzu: „Wir beobachten aber sorgfältig den Einfluss, den unsere Währung auf das mittelfristige Inflationsniveau hat.“ Das möchte die EZB mittelfristig bei knapp zwei Prozent sehen. Von diesem Ziel ist sie aber weit entfernt. Für dieses Jahr rechnet sie mit einer Teuerungsrate von 0,3 Prozent, für die nächsten beiden Jahre mit 1,0 bzw. 1,3 Prozent.

Vor einigen Wochen hatte die US-Notenbank Fed angekündigt, dass sie bei ihrer Geldpolitik stärker den Arbeitsmarkt in den Blick nehmen wolle. Auch die EZB überarbeitet ihre Strategie. In welcher Hinsicht, bleibt offen. Man habe schon viel daran gearbeitet, sagte Lagarde. Wegen der Coronakrise hatte die Notenbank ihren Strategiecheck für einige Monate unterbrochen. Am 23. September finde die nächste Sitzung dazu statt, so
Lagarde. Thema sei die Inflation.

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