Brüssel Draghi zum EZB-Präsidenten ernannt

Brüssel · In letzter Minute legten Frankreich und Italien auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen Streit um die Europäische Zentralbank bei. Zugleich zurrten sie Details des Rettungspaketes fest. Frankreichs Banken wollen die sanfte Umschuldung Griechenlands mitmachen, die deutschen zieren sich noch.

Nach einem dramatischen Tauziehen benannten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staatenlenker gestern den Italiener Mario Draghi (63) zum neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Draghi folgt ab November auf den Franzosen Jean-Claude Trichet. Ein Streit zwischen Frankreich und Italien um einen prestigeträchtigen Posten im EZB-Direktorium drohte die Ernennung in letzter Minute zu blockieren. Paris beharrte für seine Zustimmung zu Draghi darauf, dass der Italiener Lorenzo Bini Smaghi aus dem wichtigen Gremium ausscheidet und für einen Franzosen Platz macht. Nicolas Sarkozy wollte es nicht hinnehmen, dass künftig zwei Italiener in der Chefetage der Bank sitzen, während sein Land nach dem Ausscheiden von Trichet nicht mehr vertreten gewesen wäre. Erst als Bini Smaghi nach hektischer Telefon-Diplomatie seinen Rückzug zum Jahresende zusicherte, machte Sarkozy den Weg für Draghi frei.

Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich erfreut: "Ich glaube, dass damit ein sehr positives Signal für die Unabhängigkeit und Stabilitätsorientierung der EZB gesetzt wurde." Der 63-jährige Römer Draghi ist derzeit Präsident der Banca d'Italia . Er hatte sich bei einer Anhörung im Europäischen Parlament jüngst kritische Fragen zu seiner Vergangenheit als Führungskraft von Goldman Sachs anhören müssen. Der US-Investmentbank wird vorgeworfen, Griechenland beim Verschleiern der Schulden geholfen zu haben. Draghi beteuerte, damit nichts zu tun gehabt zu haben.

Griechenland war auch das beherrschende Thema auf dem Gipfel in Brüssel. Er einigte sich mit Hellas auf ein Sparprogramm, wonach das Land 28 Milliarden Euro bis 2014 sparen muss. Zudem soll der Verkauf von Staatsbesitz 50 Milliarden Euro bringen. Die Staatschefs legten auch Einzelheiten des zweiten Rettungspaketes fest. Es ist nötig, weil Athen 2012 nicht wie geplant an den Kapitalmarkt zurückkehren kann und bis 2014 eine Finanzierungslücke von 120 Milliarden Euro hat. Die muss nach den Statuten des Währungsfonds (IWF) erst geschlossen werden, bevor die nächste Tranche aus dem ersten Rettungspaket über 110 Milliarden ausgezahlt werden kann.

Kanzlerin Merkel beharrte gestern in Brüssel auf einem "substanziellen" Beitrag von Banken und Versicherungen an den neuen Hilfen. Letztere sollen bei Fälligkeit der alten Griechen-Bonds freiwillig neue Papiere zeichnen und Athen so einen Zahlungsaufschub gewähren. Französische und spanische Banken und Versicherer sowie die größte belgische Bank Dexia wollen bei dieser "sanften Umschuldung" des Krisenlandes mitmachen. Auch mit deutschen Gläubigern laufen die Gespräche auf Hochtouren. Sie verlangen aber Anreize – wie etwa staatliche Garantien der neuen Anleihen. Diese lehnt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ab.

Zudem sollen bisher ungenutzte EU-Fondsgelder in Milliarden-Höhe mobilisiert werden, um der maroden griechischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Regierungschef Athens, Giorgios Papandreou, Dienstag sein Sparpaket durchs Parlament bringt.

(RP)
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