Kolumne: Olympischer Gedanke Holland — große Wintersportler aus einem flachen Land

Sotschi · Unsere Nachbarn im Westen unterschätzen wir in sportlicher Hinsicht nur allzu gern. Dabei sind sie in Sachen Wintersport äußerst erfolgreich unterwegs.

Maxima und Willem-Alexander jubeln mit Sven Kramer
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Foto: ap, PDJ YA

Hat jemand einen Zweifel daran, dass die Niederlande eine große Wintersportnation sind? Man muss nur einmal die eindrucksvollen Ski- und Snowboard-Abteilungen der Sportgeschäfte in Venlo oder Maastricht besichtigen, um sicher zu sein, wo der Winter zu Hause ist. Die Materialauswahl dort stellt das Angebot in alpenländischen Schneezentren locker in den Schatten. Wer in diesen Wochen mal freitags oder samstags in der Nacht auf die A 3 oder A 61 gerät, sieht Gelb.

Hundertschaften von holländischen Nummernschildern strahlen im Licht der Scheinwerfer. Und jeder Wagen, wirklich jeder, transportiert auf dem Dach eine voluminöse Skikiste. In Amsterdam und Rotterdam muss es derzeit ziemlich leer sein — die Bewohner sind auf Hängen und Pisten unterwegs. Der Holländer — das ist kein Klischee, sondern die ganze Wahrheit — ist besonders furchtlos, wenn er Schnee unter die Füße bekommt.

Wer bremst, verliert

Wer bremst, verliert — so lautet sein Motto. Man muss sich nur mal wagemutig ans Ende einer Liftschlange in Winterberg stellen und braucht nicht lange zu warten, bis ein übermotivierter Mensch aus dem Nachbarland mit Karacho in die Leute brettert. Gern mit einer gut geschliffenen Kante (siehe oben: eindrucksvolle Fachgeschäfte jenseits der Maas) in Höhe der Kniekehlen der Wartenden. In Sotschi nun münzen die Niederländer ihre Wintersportbegeisterung in Medaillen um.

Die komplette Sammlung nahmen die Eisschnellläufer im Rennen über 5000 Meter mit, hinzukam — zum tränenreichen Leidwesen Claudia Pechsteins — eine goldene Plakette im 3000-Meter-Lauf der Frauen. Die Eisschnelllauf-Tradition rührt aus den Zeiten, als die Kanäle vor allem in Friesland noch verlässlich zufroren und das ausdauernde Gleiten die winterliche Alternative zum sonstigen Volkssport Radfahren war.

Doch längst sind die Niederländer wintersportlich breiter aufgestellt. Nicolien Sauerbreij fuhr schon vor vier Jahren in Vancouver mit der Konkurrenz Schlitten, pardon: Snowboard. Angesichts der Bedeutung des olympischen Wintersports ließ es sich der König nicht nehmen, seine Landsleute am Ort des Geschehens zu unterstützen. In orangefarbenen Jacken, wie es sich für Vertreter des Hauses Oranje gehört, bejubelten Willem-Alexander und seine Maxima den hurtigen Kreislauf des sportlichen Nationalhelden Sven Kramer.

Einen ganzen Container von Hollandrädern hat ein Tourismusunternehmen in den Kaukasus geschafft, damit die Reisenden nicht so schnell Heimweh bekommen. Und das von einer Brauerei gesponserte "Hollandhaus" ist ohnehin der Party-Hotspot bei allen Olympischen Spielen — egal, ob im Sommer oder im Winter. Die Niederländer verbreiten einfach eine ansteckende Fröhlichkeit. Sie sei ihnen auch gegönnt. Es wäre nur schön, wenn die Nachbarn im Juni und Juli wieder weniger Grund zum Feiern hätten.

Während der Fußball-WM darf Oranje gerne auf Halbmast flaggen.

(RP)
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