Russlands Präsident Wladimir Putin kennt keine Müdigkeit im Olympia-Marathon

Kein Rennen ohne Putin: Russlands Präsident scheint am Olympia-Ort Sotschi omnipräsent. Der heimliche "Weltsportminister", der viele Großereignisse in sein Land holt, feiert – und lässt sich feiern.

Prost, Putin!
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Foto: afp, ski

Kein Rennen ohne Putin: Russlands Präsident scheint am Olympia-Ort Sotschi omnipräsent. Der heimliche "Weltsportminister", der viele Großereignisse in sein Land holt, feiert — und lässt sich feiern.

Er holte die Winterspiele in einen Sommerkurort — und jetzt kostet Kremlchef Wladimir Putin sein Olympia voll aus. Mag auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) enttäuscht sein über mangelnde Zuschauer in Sotschi, ein Besucher taucht an den glitzernden Wettkampfstätten immer wieder auf: Putin. "Präsidentenmarathon" nennen russische Medien die Stippvisiten des Staatschefs bereits.

Als Eiskunstlaufstar Jewgeni Pluschenko die erste Goldmedaille für das Gastgeberland gewinnt, nimmt auch Putin auf der Tribüne die Glückwünsche entgegen — als hätte er selbst die Pirouetten gedreht.
Das Staatsfernsehen zeigt, wie Fans und Verbandsfunktionäre ihm die Hand schütteln. Der 61-Jährige quittiert es mit einem kurzen Nicken.

Olympia 2014: Alle Goldmedaillen-Gewinner von Sotschi
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Foto: afp, mlm/rc

Damit der Präsident gratulieren kann, müssen die Olympiasieger im "Eisberg"-Palast extra ihre Ehrenrunde vor Tausenden jubelnden Fans abbrechen. "Das ist eine unglaubliche Ehre", schwärmte Mannschaftskapitän Jekaterina Bobrowa vor den TV-Kameras.

Doch auch fern der futuristischen Eishallen am Schwarzen Meer ist Putin an diesen ersten Olympia-Tagen immer wieder zu sehen — zum Beispiel im Österreich-Haus im Alpin-Wettbewerbsort Krasnaja Poljana.
Zünftig geht es zu in der Niederlassung der Wintersport-Großmacht, als der Präsident zu seinem gut geplanten Spontanbesuch eintrifft.

In sportliches Rot gekleidet, setzt sich der Kremlchef zu den Zillertaler Sängern und soll sogar ein paar Takte des Regionalhits "Die Almhüttn" mitgesungen haben. "Das ist ein Ereignis, das wir nicht alle Tage haben", sagt Sängerin Maria österreichischen Medien zufolge. Und ihre Kollegin Silvia ergänzt: "Das nimmt man gerne mit."

Auf Fotos ist eine rustikal getäfelte Wand zu sehen, an der Poster mit Alpen-Panorama hängen. Davor sitzt der Staatschef, und in der Nähe steht der österreichische Unternehmer Siegfried Wolf - er gilt als Putin-Vertrauter und einer der größten Bauherren in Sotschi. Wie der Kremlchef hat auch Wolf immer wieder Kritik an den Winterspielen unter Palmen zurückgewiesen. Die Rekordkosten von 37,5 Milliarden Euro für Olympia bezeichnet er als gerechtfertigt.

"Ich wünsche Ihnen noch viele Medaillen, aber Russland noch mehr", sagt Putin zum Abschied nach etwa 30 Minuten — in Deutsch. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war er als KGB-Mitarbeiter in Dresden. Mit den Worten "Schönen Abend und Mahlzeit" verabschiedet sich Russlands starker Mann, der als Meister der Selbstinszenierung gilt.

Kremlgegner kritisieren "Putins Spiele" seit langem als Ein-Mann-Show. Für den Lebenstraum des Präsidenten habe die bisher unberührte Landschaft schweren Schaden genommen, seien Gastarbeiter ausgebeutet und zwangsenteignete Bürger mitunter nicht ausreichend entschädigt worden, betonen Menschenrechtler. Aber das IOC wird nicht müde, den begeisterten Eishockeyspieler und Skifahrer zu loben.

Putin sei "eher harmlos" im Vergleich zu George W. Bush, sagt ein namentlich nicht genannter IOC-Mitarbeiter der russischen Zeitung "Kommersant". Der damalige US-Präsident habe bei den Winterspielen in Salt Lake City 2002 die Eröffnungsworte einfach umformuliert und die Olympia-Symbole im Wahlkampf missbraucht. "Daran erinnern wir uns mit Grauen. Putin ist bisher okay", wird der Mitarbeiter zitiert.

"Sotschi ist Russlands neue Hauptstadt", schreibt "Kommersant" am Montag. Putin werde bis zum Ende der Winterspiele nur selten in das eigentliche Machtzentrum Moskau reisen, sondern vor allem in seiner Residenz Botscharow Rutschej bei Sotschi Weltpolitik machen.

Kritische Töne klingen in den vom Kreml gesteuerten Staatsmedien nicht an — im Gegenteil. Pünktlich zur Olympia-Eröffnung am vergangenen Freitag um 20.14 Uhr Ortszeit sei in Sotschi ein Kind zur Welt gekommen, berichtet die Zeitung "Komsomolskaja Prawda". Die Eltern hätten sich für den Namen Wladimir entschieden. "Das ist zu Ehren unseres Präsidenten", sagt Mutter Natalia. "Wenn der Junge groß ist, soll er einmal Olympia-Gold gewinnen", betont die 41-Jährige.

(dpa)
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