Olympia 2008 Herausforderung Peking

Köln (RP). Die Büste Baron Pierre de Coubertins schaut ernst vom Podest im Kölner Sport- und Olympiamuseums. Im Blickfeld des Begründers der modernen Olympischen Spiele bewegt sich Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV), durch das Spannungsfeld eines von kommerziellen Interessen, Rechtsstreitigkeiten, medizinischen und pharmazeutischen Fachfragen geprägten Sports.

 In Peking finden im Sommer 2008 die Olympischen Spiele statt.

In Peking finden im Sommer 2008 die Olympischen Spiele statt.

Foto: POOL, AFP

"Wir stehen in einer Bringschuld", sagt Prokop. Dass es mit rechten Dingen zugeht, dass Fairness und Anstand, dass Coubertins Ideale gelten - wer glaubt's? Zu Beginn des Jahres 2008 steckt der olympische Sport, der deutsche zumal, in einer Glaubwürdigkeitskrise. Prokop, Amtsgerichtspräsident aus dem bayerischen Kelheim, spricht nicht mehr von der Unschuldsvermutung, die juristisch für alle Athleten gilt. Er betont die Pflicht der Sportler und Verbände, saubere Wettkämpfe zu gewährleisten. Eine unabhängige Sportgerichtsbarkeit und die 2007 vorangetriebene Strukturreform der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) zählt Prokop zu den Grundfesten, auf denen der neue deutsche Sport mit einer "Glaubwürdigkeitsoffensive" aufbauen muss. Es geht um mehr als Gold, Silber, Bronze.

Doch das System steckt in Zwängen, die sich schwer miteinander in Einklang bringen lassen. Auf der einen Seite der Versuch, nach den Dopingskandalen rund um Radsport und Sportmedizin das Vertrauen des Publikums - und damit auch von Sponsoren - zurückzugewinnen. Auf der anderen die selbst auferlegte Pflicht, zählbaren Erfolg, sprich Medaillen bei den XXIX. Spielen in Peking, zu erringen.

Als das Olympische Feuer vor dreieinhalb Jahren in Athen erlosch, machte sich Trübsinn im verwöhnten Sportland Deutschland breit. Nicht nur bei Prokops Leichtathleten, die nur zweimal Silber erlangten. Der Abwärtstrend hatte sich fortgesetzt: nach Platz drei 1996 in Atlanta, Rang fünf in Sydney nur noch der sechste Platz im Medaillenspiegel. Können sich die Deutschen nicht mehr quälen? Warum hängt eine angeblich technologisch und trainingsmethodisch führende Sportnation im Sommer durch, die die Winter dominiert?

Auf eine rasche Rückkehr in den Kreis der Besten wagt Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), nicht zu hoffen. Zumal unter den klimatisch schwierigen Bedingungen mit Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und Smog im Nordosten Chinas nicht. "Platz sechs halten", lautet offiziell das Ziel für Peking. Großbritannien, Frankreich, Italien - die Europäer dienen als vernünftiger Maßstab, nicht die mit welchen Mitteln auch immer enteilenden Amerikaner und Chinesen.

Doch London 2012 soll trotz wachsender Konkurrenz im globalen Wettbewerb die Trendwende bringen. Mal abgesehen davon, ob der Medaillenspiegel in von Doping und Korruption verseuchten Zeiten als Messinstrument für die Leistungsfähigkeit einer Sportnation taugt, die Erfolgsaussichten für Peking beschränken sich auf überschaubare Fachbereiche. Die Kanuten etwa untermauerten 2007 bei der WM in Duisburg mit fünf Titeln ihre Ausnahmestellung. Und die Reiter, deren olympische Wettbewerbe in Hongkong stattfinden, gehören in allen Disziplinen zu den Medaillenanwärtern. Und dann?

16 gute Goldchancen zählt Eberhard Gienger, DOSB-Vizepräsident mit Fachbereich Leistungssport, nach 14 Olympiasiegen in Athen. Der Kunstturner Fabian Hambüchen, die Degenfechterin Britta Heidemann oder der Tischtennisspieler Timo Boll taugen zuvorderst als Titelhelden. Hinzu kommen die freilich schwer zu kalkulierenden Ballsportarten. Allen voran die "Hockey-Mädels", wie sie sich selbst bezeichnen, als Titelverteidigerinnen, die Fußball-Weltmeisterinnen und Heiner Brands Handballer, die auf schmalem Grat zwischen Triumph und Blamage wandeln.

Viele prominente Problemzonen bleiben indes. Die Schwimmwettbewerbe zum Beispiel, in denen Kurzbahnspezialist Thomas Rupprath spätestens für die Zeit nach Peking einen Rückschritt auf das Niveau einer Randsportart befürchtet. Die Radsportler stehen unter Generalverdacht, wenngleich der DOSB keinen Athleten nominieren wird, der seit Athen als Dopingkonsument aufgefallen ist.

Prokop spricht nicht nur für die Leichtathletik, die sich seit der mit sieben Medaillen veredelten Weltmeisterschaft im japanischen Osaka selbstbewusster gibt, wenn er sagt: "Wir wollen die Herausforderung. Wir wollen nach vorn und nicht stagnieren."

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