Martin Heuberger lebt dieser Tage wie in einem imaginären Tunnel. Er bekommt nicht viel mit von dem, was außerhalb des deutschen Lagers passiert. Die Biografie von Uli Hoeneß, auf die er sich vor dem Turnier so gefreut hatte, liegt eingeschweißt und unangetastet in seinem Koffer. Seine Konzentration gilt dem Handball. Dem nächsten Gegner. Tag und Nacht. 24 Stunden.

16 Paraden von Heinevetter

Der Erfolg gibt Heuberger Recht. Mit sieben Toren hatte sein Team gegen Serbien bereits zurückgelegen (8:15), ehe es aufdrehte und mit einem Last-Minute-Treffer von Sven-Sören Christophersen den schon abgeschriebenen Punkt sicherte. Heubergers Schachzug war aufgegangen. Er hatte den erneut überragenden Torhüter Silvio Heinevetter (16 Paraden) in den letzten Sekunden vom Feld genommen und für ihn den Berliner Christophersen als siebten Feldspieler reingeworfen.

Anstatt den "gefühlten Sieg" am Sonntag zu genießen, richtete Heuberger seinen Blick aber nach vorn. Dänemark heißt der nächste Gegner der deutschen Mannschaft. Der Vize-Weltmeister ist einer der Top-Favoriten auf den EM-Titel. "Wenn man die Dänen spielen lässt, wird es verdammt schwer", sagte Heuberger: "Handballerisch ist das eine Augenweide." Es gelte in erster Linie, die Kreise von Mikkel Hansen einzudämmen. Der Rückraum-Shooter hatte gegen Mazedonien zuletzt zwölf Treffer erzielt.

Mit 2:4-Punkten stehen die Dänen in der Hauptrundengruppe 1 allerdings unter Siegzwang, liegen als Vierter bereits drei Punkte hinter der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Von einem möglichen Halbfinal-Einzug wollte Heuberger trotzdem nichts wissen. "Wir denken nur an das nächste Spiel", sagte Heuberger. "Aber wenn wir uns noch weiter steigern und gegen Dänemark gewinnen, ist vieles möglich."

Ulrich Strombach denkt derweil schon einen Schritt weiter. Der DHB-Präsident glaubt an den ganz großen Wurf. "Wenn wir das Halbfinale erreichen, ist alles möglich. Auch der Titel", sagte Strombach am Sonntagmittag im deutschen Quartier im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

"Nicht gespielt wie ein Halbfinalist"

Abwehrchef Oliver Roggisch dämpft unterdessen allzu große Erwartungen. "Wir haben gegen Serbien nicht gespielt wie ein Halbfinalist. Unser Ziel bleibt weiterhin die Olympia-Qualifikation", sagte Roggisch. Heinevetter, der in den zurückliegenden drei Spielen zum Matchwinner seines Teams avancierte, brennt auf das nächste Endspiel. "Für die Dänen geht es um alles. Wenn sie verlieren, sind sie raus", so Heinevetter: "Für uns ist es genauso. Es wird kein Freundschaftsspiel werden."

Martin Heuberger plagen vor dem vielleicht schon vorentscheidenden Spiel Personalsorgen. Kapitän Pascal Hens droht auszufallen. Der Rückraumspieler vom deutschen Meister HSV Hamburg, der im bisherigen Turnierverlauf nur wenig gespielt und in vier Spielen bislang erst einen Treffer erzielt hatte, lag am Sonntag mit einem Magen-Darm-Infekt flach. "Ich hoffe, dass er rechtzeitig wieder auf die Beine kommt", sagte Heuberger.

Doch auch ohne Hens lebt der deutsche Traum weiter. Ein Sieg gegen Dänemark bei einer gleichzeitigen Niederlage Polens im Duell gegen Mazedonien würde den vorzeitigen Einzug ins Halbfinale bedeuten.

Heuberger beteiligt sich an derlei Rechenspielen nicht. Er konzentriert sich ganz auf sein Team. Jeden Tag. 24 Stunden. Auch Hoeneß muss warten.