Fankolumne mit David Ellgering Darum bleibt Fortuna der geilste Klub der Welt

Meinung | Düsseldorf · Wir wollen Sie 2021 (noch) mehr zu Wort kommen lassen! Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Was wollten Sie immer schon mal ansprechen? Was nervt? Was finden Sie toll? In unserer Fankolumne erklärt David Ellgering seine Liebe zur Fortuna.

 David Ellgering (obere Reihe, rechts) mit seinen Mannschaftskollegen in Chicago.

David Ellgering (obere Reihe, rechts) mit seinen Mannschaftskollegen in Chicago.

Foto: David Ellgering/privat

Häufig werde ich mit der Aussage konfrontiert, dass ich das mit der Fortuna nicht zu ernst nehmen soll. Oder, dass das doch nur ein Spiel sei. Am verhängnisvollsten sind Fragen der Partnerin, welche Liebe größer ist. Als Strategie hat sich bewährt, dieser Frage mit einem Witz aus dem Weg zu gehen.

Ich denke, dass ich für viele Fortunen spreche, wenn ich sage, dass es mehr als ein einfaches Hobby ist. Der Verein hat mich mein ganzes Leben begleitet und war neben meiner Familie die Konstante in meinem Leben. In diesem Text möchte ich euch beschreiben, was ich an diesem Verein schätze und warum es logisch ist, die Fortuna zu unterstützen.

Erst in Alter von vierzehn Jahren hat mich der Fortuna-Virus im Paul-Janes-Stadion gepackt. Ich war grauenhaft gekleidet: Zahnspange oben und unten, eine zu große Brille, eine hässliche Jeansjacke und dazu die dünnsten Arme in der Schulklasse. Kein Wunder, dass der Erfolg bei den Coolen und besonders den Frauen (außer in meinen erfundenen Erzählungen) ausblieb.

Im Paul-Janes-Stadion war ich von der ersten Minute begeistert, wie eine Gruppe derart zusammenhalten kann. Ich war direkt Teil einer großen Menge, wurde akzeptiert und protestierte (vollkommen zu Unrecht) mit meinen Freunden gegen die Rote Karte von Frank Mayer. Neben Männern ohne Zähne und Frauen, die ehrlich gesagt häufig wie Männer aussahen, und damals noch das Stadionbild bestimmten, fiel ich gar nicht so negativ auf.

Dieses Gefühl, Teil eins großen Teams zu sein, packt mich bis heute. Ich glaube, dass es keine andere Veranstaltung gibt, die Menschen aller Herkunft zu gut zusammenführt. Egal, ob ich mit Anzug von der Arbeit komme, oder es noch schaffe mich umzuziehen. Jeder der Fortuna unterstützt, wird gleichbehandelt. Noch heute umarme ich den alten Mann neben mir im Stadion nach Toren. Ohne seinen Namen zu kennen, sind wir große Stadionfreunde geworden. Seine Tränen beim 3:3 gegen Hertha haben mir mein Herz gebrochen.

Ich glaube, dass wenige Fans derart viele Höhen und Tiefen in so kurzer Zeit durchgestanden haben, wie wir und das härtet ab. Ich erinnere mich, als wir in Braunschweig nach zwei gehaltenen Melka-Elfmetern in der 85. Minute das 5:4 schossen und mein Kumpel sagte: „Hauptsache wir verlieren das nicht noch.“ Mit den 5:5 in der letzten Minute konnten wir deshalb noch halbwegs zufrieden nach Hause fahren. Diese Einstellung hilft auch im echten Leben. Ein Fortune hat keine Chance, arrogant zu werden und bei großem Druck oder Niederschlägen, bedienen wir uns des Galgenhumors eines Fortuna-Fans und wissen, dass es irgendwann auch wieder besser wird.

Darüber hinaus hat der Verein auch viel für mich geleistet. Als mein Kumpel sehr früh verstarb, organisierte die Fortuna ein Trikot mit allen Unterschriften und einen Brief der Mannschaft für seine Witwe. Sascha Rösler schenkte meinem Vater ein Trikot zur Motivation gegen seinen Krebskampf, den er, auch wegen solcher Gesten, gewonnen hat. Dabei werde ich bis heute nie vergessen mit welcher Großzügigkeit Rösler sein Trikot schon per E-Mail-Antwort am gleichen Tag versprochen hatte. Er ist nicht nur auf dem Platz ein ganz Großer!

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Foto: Christof Wolff

Generell hatten wir in den letzten Jahren unfassbares Glück mit unseren Typen wie Langenecke, Bodzek, Lumpi, Bellinghausen, Rösler, Hennings, Fink, Ayhan, Zimmermann, Hoffmann oder Kastenmeier. Solche durch und durch sympathischen Charaktere haben viele Vereine nicht in dreißig Jahren. Deshalb bin ich in den letzten Jahren – im großen Gegensatz zur Nationalmannschaft – noch größerer Fan geworden und wenn ich im Ausland gearbeitet habe, konnte ich viele mit dem Fortuna-Virus infizieren.

Ich glaube wir machen uns manchmal zu klein. Allein die Geschichte über Lumpi, die in meiner Version im Happy End 2:1 in München endet, begeistert die Menschen („German Rocky“). In Chicago habe ich häufig mit neuen Fortuna-Fans, früh morgens und nicht selten mit Kater, die Spiele verfolgt. Im Büro hatte von 300 Mitarbeitern über die Hälfte zum Schluss ein eigenes Fortuna-Trikot (meine Regel: ein kostenloses Trikot, wenn du die Fortuna für immer unterstützt). Meine Hobbymannschaft in Chicago konnten wir in Fortuna Düsseldorf umbenennen und sind in der gleichen Saison Meister geworden.

Auch für unsere Fanszene müssen wir uns im Gegensatz zu anderen Vereinen nicht schämen. Ich teile noch heute stolz Fotos von Bannern gegen Frauengewalt, Antisemitismus und Rechtsterror mit meinen Freunden im Ausland. Dazu kommen super Aktionen wie die Unterstützung von Obdachlosen oder einsamen Fortunen in der Weihnachtszeit. Die Seele eines Arbeitervereins aus Flingern haben wir nicht verloren.

Die Seele eines Vereins verbindet die Menschen und kann nur durch die Fans über Jahre wachsen. Vielleicht werden das die Eigentümer in Leipzig und Hoffenheim irgendwann begreifen. Für mich ist jedes Fortuna-Spiel sehr aufregend und anstrengend (auch für mein Umfeld). Trotzdem kann ich in keiner Situation besser abschalten und alles andere vergessen. In schwierigen Lebenslagen ist das unglaublich entspannend und ermöglicht danach einen klaren Blick auf die Probleme.

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Foto: Christof Wolff

Das ehrliche Mitfiebern kann ich nur, weil ich überzeugt bin, dass wir der beste Verein mit den besten Typen sind. Während ich viele Lebensansichten über die Jahre abgelegt habe, wundere ich mich manchmal selbst, wie unverändert ich den Fortuna-Spielern gegenüberstehe. Normalerweise bin ich, seitdem ich die Zahnspange abgelegt habe, selbstbewusst, bei den Fortuna Spielern aber immer noch sehr schüchtern. Außerdem freue ich mich unheimlich seltene Trikots zu kaufen oder meinen Neffen etwas von Fortuna zu schenken. Das Originaltrikot von Hennings mit Widmung an meinen Neffen zu überreichen und seine Freude zu sehen, hat mir das Jahr 2020 gerettet.

Die jetzige Fortuna begeistert so viele unterschiedliche Menschen und seit einer langen Durststrecke gibt es zum Glück auch wieder viele Kinder im Stadion. Deshalb ist meine Hoffnung, dass wir nicht zu viel am Verein ändern. Natürlich sollen wir nicht stehen bleiben und ich freue mich sehr, dass das Marketing professioneller geworden ist und in der Nachwuchsabteilung besser gearbeitet wird.

Ein langfristiger Wunschtraum wäre ein Vorstand ohne Skandale, aber vielleicht macht das unsere Fortuna auch irgendwie aus. Zusätzlich vielleicht noch ein Namenssponsor für das Stadion, dessen Geschäftsmodell zu unserem Verein passt und nicht arme Menschen noch ärmer macht. Und bitte haltet die Legenden mit Fortuna-Herz im Verein. Aber auch das hat sich in den letzten Jahren sehr verbessert.

(gic, jol, pab)
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