Mehr Spannung und Fairness Die Abschaffung der Auswärtstorregel hat die K.-o.-Runde gerettet

Meinung | Düsseldorf · Das Spektakel zwischen Real Madrid und Manchester City im Halbfinale der Champions League ist ein Segen für den Fußball – und das beste Beispiel dafür, dass es wichtig war, die Auswärtstorregel abzuschaffen.

Real Madrid im Champions-League-Finale: "Neues Wunder im Bernabeu" - Pressestimmen
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„Der Mythos des Bernabeu verschlingt auch Guardiolas City“

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Foto: AFP/GABRIEL BOUYS

Der europäische Fußballverband Uefa schafft es nicht oft, den Fußball mit seinen Entscheidungen für Zuschauer und Spieler attraktiver zu machen. Aber mit der Abschaffung der Auswärtstorregel hat er die K.-o.-Runde in den europäischen Wettbewerben gerettet. Lange gingen die Teams nicht mehr so risikofreudig und offensiv in die Spiele, wie in dieser Saison – vor allem nicht in die Hinspiele. Das Champions-League-Halbfinale zwischen Manchester City und Real Madrid ist dafür das beste Beispiel. 4:3 gewann City das Hinspiel im eigenen Stadion. Ein Sieg – aber mit hohem Risiko.

Denn Jahrzehnte galt in den europäischen Wettbewerben: Bei Gleichstand nach Hin- und Rückspiel erreicht das Team die nächste Runde, das mehr Auswärtstore erzielt hat. Das sollte den Nachteil der Auswärtsmannschaften – etwa durch weniger Fanunterstützung oder ungewohnte und schlechte Platzverhältnisse beim Gegner – ausgleichen und für weniger Verlängerungen sorgen. Das tat diese Regel auch.

Sie führte in den vergangenen Jahren aber oft auch dazu, dass die Heim-Mannschaften im Hinspiel vor allem darauf bedacht waren, zu verteidigen und bloß kein Gegentor zu kassieren. Torspektakel und attraktiver Offensivfußball kamen da nur selten zustande. Gleichzeitig sind die Plätze heute weitgehend genormt, sodass schlechte Bedingungen kaum noch ins Gewicht fallen.

Natürlich ist es immer Spekulation, was gewesen wäre wenn die Auswärtstorregel noch gelten würde. Aber es ist kaum vorstellbar, dass sich Manchester City bei einem Halbfinale mit Auswärtstorregel auf ein derartiges Offensivspektakel im Hinspiel eingelassen hätte – schon gar nicht gegen ein Topteam wie Real Madrid. Denn dann hätte Real nach dem 4:3 schon ein 1:0 oder eben das 2:1 in der 91. Minute zum Weiterkommen gereicht. Das Szenario, dass City sich aufs Verteidigen konzentriert und dann vielleicht auf ein paar Konter gesetzt hätte, erscheint deutlich wahrscheinlicher. Am Ende wäre es vielleicht ein knapper Sieg, vielleicht auch ein 0:0 oder 1:1 geworden.

Ohne die Auswärtstorregel bekam City nach seinem fulminanten aber knappen Hinspielsieg auch nach den zwei späten Gegentoren in Madrid noch die Chancen, über die Verlängerung das Finale zu erreichen. Früher hätte die Auswärtstorregel quasi einen 5:5-Sieger hervorgebracht, weil Real mehr Tore in Manchester geschossen hat.

Die neue Regelung erhöht nicht nur den Druck für das Team, das auswärts bereits getroffen hat, auch im Heimspiel zu treffen, sondern macht den Wettbewerb auch gerechter. Zumal früher auch in der Verlängerung die Tore des Auswärtsteams stärker gewichtet wurden. Schoss der Gast also ein Tor in der Verlängerung, musste das Heimteam schon zweimal treffen, um als Sieger aus dem Spiel zu gehen.

Offensivfußball, der für die Fans deutlich attraktiver ist als eine Abwehrschlacht, und der auch neue Zuschauer gewinnen kann, wird so belohnt. Das ist ein wichtiger Schritt für den Fußball, wenn er Menschen wieder oder weiterhin begeistern will.

Ja, auch taktische Meisterleistungen, die auf das Vermeiden von Gegentoren ausgerichtet sind, können zu spannenden Spielen führen. Weil die Zuschauer bei jedem Angriff hoffen, dass er nicht schon Meter vor dem Tor gestoppt wird, weil sie bis zum Ende zittern. Aber am Ende sind es doch die brenzligen Situationen im Strafraum, schnelle Spielzüge und vor allem Tore, die begeistern und für Spannung sorgen. Wenn die Abwehr nicht völlig außer Acht gelassen wird, aber eben das Toreschießen statt -verhindern im Vordergrund steht.

Und die Zuschauer wollen einen richtigen Sieger sehen. Bisher konnten zum Beispiel auch ein 0:0 und ein 1:1 einen Gewinner hervorbringen, jetzt müssen die Mannschaften voll auf Sieg spielen.

Die Befürchtung, dass die Mannschaften nun erst recht das Risiko scheuen und es nach Hin- und Rückspiel oft 0:0 steht, hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr scheint es den Teams entgegen zu kommen, Angriffsfußball zeigen zu können, ohne allzu große Gefahr zu laufen, dass ein Fehler das Ausscheiden bedeuten kann. Das zeigt zumindest die erste Saison ohne Auswärtstorregel.

In der Champions League endeten zwar vier Hinspiele im Achtelfinale unentschieden, in der Europa League je drei im Achtel- und Viertelfinale. Tore fielen aber in den meisten Partien und zumeist waren es Unentschieden der besseren Sorte. Will heißen: Beide Teams spielten durchaus auf Sieg.

Das Viertelfinale zwischen Eintracht Frankfurt und Barcelona wurde in der Schlussphase nur noch mal spannend, weil es eben nicht mehr die Auswärtstorregel gab. Barca hätte nach dem 2:3 (1:1 in Hinspiel in Frankfurt) also nur noch ein Tor gebraucht, um die Verlängerungen zu erreichen. Früher wäre Frankfurt auch bei einem 3:3 in Barcelona weiter gewesen.

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