Doppeltriumph: Friesinger nutzt Niemann-Blackout zum Premieren-Titel

Budapest (dpa). Als Gunda Niemanns Träume im Tränenmeer versanken, ging der Stern von Anni Friesinger auf. Das neue Glamour Girl aus Inzell nutzte die Gunst der Stunde und sicherte sich in Budapest mit einer überzeugenden Leistung ihren ersten Titel bei Mehrkampf-Weltmeisterschaften und die über 50 000 Mark Preisgeld. Titelverteidigerin Claudia Pechstein aus Berlin, die bis zum letzten Meter der abschließenden 5000 m dem Bayern-Star einen tollen Kampf um die Krone geliefert hatte, komplettierte als Zweite den deutschen Doppeltriumph. Die achtmalige Mehrkampf-Weltmeisterin Gunda Niemann- Stirnemann, die nach einem Wechselfehler auf der 3000-m-Distanz disqualifiziert wurde, trat bereits am Sonntag enttäuscht die Heimreise an.

"Das ist ein geiles Gefühl", jubelte Anni Friesinger, die erst in der Vorwoche mit Erotik-Fotos im "Stern" für Aufsehen auch außerhalb der Eisbahn gesorgt hatte. "Mein Körper ist mein Kapital", begründete sie die gewagten Aufnahmen. Vor der historischen Kulisse des Budapester Stadtschlosses unterstrich sie, was sie sportlich zu leisten vermag. Nach dem Sturz-Trauma von Baselga und dem Verzicht auf die Sprint-WM in ihrer Heimat-Gemeinde dominierte die 24-Jährige die Konkurrenz schon vom 500-m-Auftakt an. In 39,99 Sekunden blieb sie als einzige unter der 40-Sekunden-Grenze und spielte nach Platz drei über 3000 m ihre Stärken am Sonntag mit einem Sieg auf ihrer 1500-m-Lieblingsstrecke in 2:03,38 Minuten aus.

"Zwölf Sekunden Vorsprung sind viel, aber ich muss sie erst nach Hause bringen", hatte sie vor der Abschluss-Distanz über 5000 m voreilige Glückwünsche abgewehrt. In 7:32,78 Minuten belegte sie am frühen Abend auf der Langstrecke schließlich den sechsten Platz und brachte ihren zweiten WM-Titel nach dem Sieg auf der 1500-m- Einzelstrecke 1998 unter Dach und Fach.

Zuvor waren wegen der frühlingshaften Temperaturen die Rennen im City Park mehrfach verlegt worden. Doch Anni Friesinger steckte auch diese Widrigkeiten mit jugendlicher Leichtigkeit weg. "Mir tut es nur schrecklich leid für die Gunda. Auf den langen Strecke ist sie eigentlich fast unschlagbar", zeigte sie in der Stunde des Triumphes auch Mitgefühl für die gescheiterte Eis-Königin, die nach ihrem Malheur den Tränen freien Lauf gelassen hatte.

Claudia Pechstein war über 5000 m in 7:21,68 Minuten die Schnellste und trotz des verlorenen Titels nicht unglücklich. Nachdem die Berlinerin zwischen 1996 und 2000 vier Mal mit Platz zwei hinter Gunda Niemann hatte vorlieb nehmen müssen, blieb ihr nun wiederum wiederum der undankbare, aber dennoch ehrenvolle Silberrang.

Rintje Ritsma zum vierten Mal Mehrkampf-Weltmeister

Der Niederländer Rintje Ritsma hat am Sonntagabend zum vierten Mal den WM-Titel im Eisschnelllauf-Mehrkampf gewonnen. Er machte auf den 10 000 m die Titelhoffnungen seines Landsmannes Ids Postma zunichte, der nach drei Strecken noch deutlich geführt hatte. Der Grefrather Christian Breuer kam als bester Deutscher auf den neunten Platz.

Eisschnelllauf in Zahlen

Eisschnelllauf, Allround-Weltmeisterschaften (Vierkampf) in Budapest:

Herren (500 - 5.000 - 1.500 - 10.000 m):

Endstand nach vier Strecken: 1. Rintje Ritsma (Niederlande) 158,731; 2. Ids Postma (Niederlande) 159,476 Punkte; 3. Bart Veldkamp (Belgien) 159,731; 4. Keiji Shirahata (Japan) 160,754, 5. Dustin Molicki (Kanada) 160,878; 6. Alexander Kibalko (Russland) 161,040; ... 9. Christian Breuer (Grefrath) 161,623; 12. Frank Dittrich (Chemnitz) 163,615

Herren, 10 000 m: 1. Bart Veldkamp (Belgien) 13:44,19 Minuten; 2. Rintje Ritsma (Niederlande) 13:56,07; 3. Frank Dittrich (Chemnitz) 13:58,41; 4. Keiji Shirahata (Japan) 14:05,16; 5. Wadim Sajutin (Russland) 14:06,40; 6. Dustin Molicki (Kanada) 14:12,46; ... 11. Christian Breuer (Grefrath) 14:29,54

500 m: 1. Christian Breuer (Grefrath) 37,55 Sekunden, 2. Takiro Ushiyama (Japan) 37,59, 3. Ids Postma (Niederlande) 37,61, 4. Alexander Kibalko (Russland) 37,64, 5. Rintje Ritsma (Niederlande) 37,76, 6. Sergej Tsybenko (Kasachstan) 37,82, ... 16. Jan Friesinger (Inzell) 38,78, ... 23. Frank Dittrich (Chemnitz) 40,63

1.500 m: 1. Postma 1:54,12 Minuten, 2. Ritsma 1:54,18, 3. Kibalko 1:54,98, 4. Dimitr Schepel (Russland) 1:55,80, 5. Dustin Molicki (Kanada) 1:55,96, 6. Breuer 1:56,09, ... 15. Friesinger 1:57,52, ... 22. Dittrich 2:00,29

5.000 m: 1. Bart Veldkamp (Belgien) 6:43,69 Minuten, 2. Postma 6:49,51, 3. Dittrich 6:49,69, 4. Keiji Shirahata (Japan) 6:49,93, 5. Molicki 6:50,42, 6. Wadim Sayutin (Russland) 6:50,86, 7. Ritsma 6:51,08, ... 13. Breuer 6:59,00, ... 21. Friesinger 7:07,16

Damen (500 - 3.000 - 1.500 - 5.000 m):

Endstand nach vier Disziplinen: 1. Anni Friesinger (Inzell) 169,690 Punkte, 2. Claudia Pechstein (Berlin) 169,791, 3. Renate Groenewold (Niederlande) 170,133, 4. Cindy Klassen (Kanada) 170,630, 5. Barbara de Loor (Niederlande) 171,218, 6. Warwara Barischewa (Russland) 172,692

500 m: 1. Friesinger 39,99 Sekunden, 2. Jennifer Rodriguez (USA) 40,29, 3. Klassen 40,49, 4. Barischewa 40,53, 5. de Loor 40,81, 6. Emese Hunyady (Österreich) 40,93, 7. Pechstein 41,12, ... 17. Gunda Niemann-Stirnemann (Erfurt) 42,01

1.500 m: 1. Friesinger 2:03,38 Minuten, 2. Pechstein 2:04,35, 3. Klassen 2:05,00, 4. Groenewold 2:05,13, 5. de Loor 2:05,49, 6. Barischewa 2:06,25, ... - Niemann-Stirnemann nach Disqualifikation im 3.000-m-Rennen nicht mehr angetreten

3.000 m: 1. Groenewold 4:16,57 Minuten, 2. Pechstein 4:18,32, 3. Friesinger 4:19,78, 4. de Loor 4:22,09, 5. Tonny de Jong (Niederlande) 4:23,35, 6. Klassen 4:23,38 - disqualifiziert: Niemann-Stirnemann wegen eines Wechselfehlers nach 2.000 Metern

5.000 m: 1. Pechstein 7:21,68 Minuten, 2. Groenewold 7:25,02, 3. Klassen 7:25,78, 4. de Loor 7:28,97, 5. de Jong 7:29,59, 6. Friesinger 7:32,78

(RPO Archiv)
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