Grüne in Brandenburg fordern Aberkennung Was ist ein Stasi-Doktortitel wert?

Cottbus · Promotionen in Propaganda-Arbeit gegen den Westen - an der Stasi-Hochschule nicht ungewöhnlich. Durch den Einigungsvertrag tragen die so promovierten Juristen ihre Titel bis heute. Damit soll jetzt Schluss sein, wenn es nach der Grünen-Fraktion im brandenburgischen Landtag geht.

 Der gebürtige Bochumer Axel Vogel führt die Fraktion der Grünen im Brandenburger Landtag.

Der gebürtige Bochumer Axel Vogel führt die Fraktion der Grünen im Brandenburger Landtag.

Foto: dpa, Michael Reichel

Wie unterdrückt man Jugendgruppen am besten, wie geht man mit West-Journalisten um, welche Motive haben Menschen haben, die eine Stasi-Zusammenarbeit ablehnen oder wie bricht man Beschuldigte bei Befragungen schneller?

400 Doktorarbeiten früherer Stasi-Funktionäre

Mit diesen Fragen beschäftigten sich Promotionen, die vor der Wende an der Juristischen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit erarbeitet wurden. Mehr als 400 Doktorarbeiten früherer Stasi-Funktionäre sind so zusammengekommen.

Jetzt fordern die Grünen im Brandenburger Landtag eine Überprüfung. Die juristischen Dissertationen an der ehemaligen Stasi-Hochschule in Potsdam-Golm genügten "in keinster Weise" den wissenschaftlichen und moralischen Ansprüchen, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel.

Kaderschmiede des MfS

Die Juristische Hochschule in Golm war laut Behörde die Kaderschmiede des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und dessen zentrale Bildungs- und Forschungsstätte. Die meisten Doktoranden waren Offiziere des MfS oder andere lang gediente Mitarbeiter.

Promoviert wurden an der Hochschule die Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke, Gerhard Neiber und Wolfgang Schwanitz, sowie DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski.

"Mit dem Promotionsrecht wollte sich das MfS selbst einen wissenschaftlichen Anspruch geben", sagt Axel Vogel. "Mit dem Einigungsvertrag wurden alle Doktortitel aus der ehemaligen DDR in die Bundeserepublik übernommen."

Können Titel aberkannt werden?

Nach geltendem Recht könne nur die Hochschule den Doktorgrad entziehen, die ihn auch verliehen hat. Nur die Stasi-Hochschule gibt es nicht mehr - ob die Titel also aberkannt werden können, sei unklar.

Die Sprecherin der Stasi-Unterlagenbehörde Dagmar Hovestädt erklärt gegenüber dieser Zeitung, dass die Dissertationen und Diplomarbeiten der Juristischen Hochschule in Potsdam-Golm in der DDR unter Verschluss waren. Worüber promoviert wurde, war also streng geheim. Heute allerdings fallen die Arbeiten unter das Stasi-Unterlagengesetz.

400 Dissertationen werden digitalisiert

Um Zeitgeschichte aufzuarbeiten, könne also ein Antrag von Medien oder wissenschaftlichen Einrichtungen zur Einsicht in die Arbeiten gestellt werden. Hovestädt betont, dass die Stasi-Behörde gegenwärtig dabei sei, die mehr als 400 Dissertationen zu digitalisieren. Das sei allerdings sehr zweitintensiv, da alle Arbeiten durchgesehen werden müssen.

"Es darf schließlich kein Name eines Betroffenen veröffentlicht werden", sagt Hovestädt. Ihre Erfahrung sei es zwar, dass die Doktoranden - zumeist Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit und lang gediente Mitarbeiter - keine Klarnamen verwendet hätten. "Aber wir müssen sicher sein", betont die Sprecherin.

Veröffentlichung im Internet gefordert

"Manche Arbeiten in Golm entstanden als Gruppenarbeiten - ich zweifele daran, dass sie selbst damals den wissenschaftlichen Ansprüchen genügen", sagt Axel Vogel. Neben der Aberkennung der damaligen Titel fordert er eine Veröffentlichung zum Beispiel im Internet.

Dagegen verweist der forschungspolitische Sprecher der Linken im Potsdamer Landtag, Peer Jürgens, darauf, dass es in Brandenburg heute "andere und größere Probleme" als die Titel der ehemaligen Stasi-Hochschule gebe.

"Die damalige Hochschule entscheidet"

"Rechtlich ist es klar: Die akademischen Titel aus der ehemaligen DDR gelten laut Einigungsvertrag weiter." Dass es in den Arbeiten um Themen wie die Unterdrückung politischer Gegner oder Spionage in der alten Bundesrepublik ging, hält Jürgens rückblickend für nicht bedeutsam.

"Ob die Themen einer Doktorarbeit würdig sind, hatte einzig die damalige Hochschule zu entscheiden", so Jürgens. "Sie wurden nach damaligen Maßstäben vergeben und bewertet." Er könne "durchaus mitgehen", so Jürgens, wenn die Grünen heute eine Veröffentlichung der Arbeiten, "etwa in einer Form von Sammelband" forderten. "Aber die Debatte, den Leuten ihren Titel heute abzuerkennen, halte ich für völlig falsch."

(csi)
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