Sprint zum Ausgang

Man kann die Verbitterung vieler Afghanen nachvollziehen, die nach einer ganzen Reihe von Skandalen, die von der Leichenschändung über eine Koran-Verbrennung bis zum jüngsten Amoklauf eines US-Soldaten reichen, in den ausländischen Truppen leider inzwischen mehr Besatzer denn Befreier sehen. Nicht zu entschuldigen ist dagegen die Stimmungsmache, die der afghanische Präsident Hamid Karsai damit betreibt. Denn darum handelt es sich bei seiner Forderung nach einem früheren Abzug der Nato-Truppen, die er bis dahin am liebsten wegsperren möchte. Der wenig respektierte Staatschef versucht sich bei den Taliban anzubiedern, um sein politisches wie physisches Überleben nach dem Abzug der ausländischen Truppen zu sichern. Ein tragischer Irrtum: Die Taliban brauchen Karsai nicht.

Karsais Vorstoß ist hochriskant für Afghanistan, denn er könnte einen Sprint der kriegsmüden westlichen Truppensteller zum Ausgang auslösen. Die Debatte ist ja längst im Gang. Doch ein überstürzter Abzug ist das schlimmste aller Szenarien, würde er das Land wohl unmittelbar in einen Bürgerkrieg stürzen. Die Frustration im Westen nach einem Jahrzehnt Afghanistan-Krieg ist groß, aber sie darf jetzt nicht zu Kurzschlussreaktionen verleiten.

Bericht: afghanistan: Karsai. . ., Titelseite

(RP)
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