Berlin SPD ringt um höheres Rentenniveau

Berlin · Der Arbeitnehmer-Flügel der SPD drängt auf ein höheres Rentenniveau. Das Thema ist in der Partei heftig umstritten, weil die Sozialdemokraten wesentliche Punkte ihrer früheren Regierungsarbeit korrigieren müssten. Außerdem wird eine Garantie-Rente für langjährig Beschäftigte diskutiert.

Im Kampf gegen Altersarmut formuliert die SPD sehr präzise, was sie nicht will: Das Modell der Zuschussrente von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Mit dieser Position befinden sich die Sozialdemokraten in trauter Übereinkunft mit weiten Teilen der Union und mit den Liberalen sowieso.

Allerdings gibt es trotz etlicher Anläufe bislang kein Rentenkonzept, auf das sich die SPD einigen konnte. Für die SPD ist die Rente und Vermeidung von Altersarmut ein heikles Thema. Die Einführung der Rente ab 67 unter dem damaligen SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering hätte die Partei beinahe zerrissen. Für viele Genossen bemisst sich am Rentenkonzept die Frage, wie sozial die Partei noch ist. Parteichef Sigmar Gabriel hat das Thema zur Chefsache erklärt und eine inoffizielle Arbeitsgruppe im Willy-Brandt-Haus eingesetzt. Am kommenden Montag wollen die Sozialdemokraten in ihren Gremien die Ergebnisse diskutieren.

Aus einem ersten Konzept der Arbeitsgruppe, das unserer Zeitung vorliegt, geht hervor, dass die SPD das Netto-Rentenniveau weniger stark sinken lassen will, als bislang geplant. Bisher ist vorgesehen, dass die durchschnittliche Renten für langjährige Versicherte von heute 51 Prozent des Durchschnittslohns auf nur noch 43 Prozent im Jahr 2030 sinkt. Etliche Sozialdemokraten vom linken Flügel der Partei wollen das Rentenniveau aber dauerhaft zwischen 45 und 50 Prozent halten. Die genaue Größenordnung zählt zu den offenen Fragen, die am Montag geklärt werden sollen. Ein Beschluss dazu ist erst am 24. September vorgesehen. In dieser Frage geht ein Riss durch die Partei. Die Gegner halten ein höheres Rentenniveau für nicht finanzierbar. In einem aktuellen Papier der Arbeitsgruppe soll auf Druck von SPD-Chef Gabriel nun doch kein höheres Rentenniveau mehr gefordert werden. Das dürfte den Streit mit dem Arbeitnehmerflügel über das Wochenende noch anheizen.

Zur Finanzierung eines höheren Rentenniveaus sollen die Beiträge nach Meinung der Befürworter für Beschäftigte und Unternehmen in der Rentenversicherung schneller steigen, als bislang geplant. Sie sollen aber bis 2030 nicht die Marke von 22 Prozent überspringen, was der aktuellen Planung der Rentenversicherung entspricht. Mit diesem Konzept lehnt sich die SPD an ein Modell des Gewerkschaftsbundes an. Der nächste Knackpunkt ist die Regelaltersgrenze. Nach jahrelangem Streit gibt es mittlerweile ein Bekenntnis zur Rente mit 67 — unter der Bedingung, dass genug ältere Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Job haben. Dieser Friedensschluss war wichtig. Denn der Umgang mit der Rente ab 67 hat Einfluss auf die K-Frage. Es ist kaum vorstellbar, dass Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder der frühere Finanzminister Peer Steinbrück, die in der großen Koalition für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit gestimmt haben, einen Wahlkampf gegen ihren eigenen Beschluss führen. Als Herzstück des SPD-Konzepts zeichnet sich eine "Solidarrente" für Geringverdiener ab. Die SPD will sie als Alternativ-Modell zur Zuschussrente präsentieren. Wer 40 Jahre lang Vollzeit gearbeitet hat, soll eine Rente von 850 Euro pro Monat erhalten. In einer rot-grünen Bundesregierung ließe sich zu diesem Modell sicher ein gemeinsames Konzept finden. Die Grünen sprechen sich für eine Garantie-Rente aus. Nach deren Konzept sollen 30 Jahre Erwerbstätigkeit mit 30 Rentenpunkten belohnt werden, auch wenn die Beiträge der Arbeitnehmer geringer waren. Nach dem aktuellen Rentenwert kämen die Anwärter so auf eine Garantie-Rente von 824 Euro pro Monat. Auch bei den Grünen gibt es bislang aber keine offizielle Einigung über das Rentenniveau.

Allein die Linkspartei ist mit dem Nachdenken schon fertig. "Es wäre Zeit für einen Plan B", sagte Linken-Chefin Katja Kipping unserer Zeitung. "Wir sollten alle Fehlsubventionierungen im Rentensystem, wie die staatliche Förderung von Privatrenten, abbauen und das Geld in die Schaffung einer echten Mindestrente stecken. Niemand darf im Alter unter 1000 Euro fallen."

(qua)
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