Berlin Sorge um Athen lässt Börsen abstürzen

Berlin · Die neue Diskussion um eine griechische Staatspleite hat die Aktienkurse weltweit auf Talfahrt geschickt. Der deutsche Aktienindex Dax sackte gestern zwischenzeitlich um fast vier Prozent ab; alle Dax-Werte schlossen im Minus. Besonders Bank- und Versicherungsaktien standen unter Druck. Auch die Börsen in London, New York und Tokio lagen im Minus. Der Euro gab zwischenzeitlich auf weniger als 1,2070 Dollar nach.

Eine Staatspleite Griechenlands würde die deutschen Steuerzahler nach einer aktuellen Schätzung der Dekabank kurzfristig 83 Milliarden Euro kosten. Darin enthalten seien die deutschen Anteile an den Auszahlungen aus dem ersten und zweiten Rettungspaket für Athen von bisher 15 und 22 Milliarden Euro, sagte Dekabank-Experte Carsten Lüdemann unserer Zeitung. Hinzu kämen 13 Milliarden Euro an Verpflichtungen, die sich ergäben, weil die Europäische Zentralbank (EZB) im Pleitefall wertlose griechische Staatsanleihen in ihren Büchern stehen hätte.

Zudem müsse Deutschland 30 der insgesamt 106 Milliarden Euro schultern, die die griechische Notenbank über das sogenannte Target-2-System der europäischen Notenbanken der Bundesbank schulde. Aus den Zahlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Griechenland ergäbe sich für Deutschland ein weiterer Kostenanteil von drei Milliarden Euro.

Der Staatsbankrott Griechenlands in diesem Herbst wird immer wahrscheinlicher, da sich der IWF an neuen Hilfen voraussichtlich nicht mehr beteiligen wird. Auch in Berlin zeichnet sich ein Positionswechsel ab: Ein drittes Rettungspaket für Athen werde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht durch den Bundestag bringen können, hieß es in Regierungskreisen. Ähnlich denken die Regierungschefs anderer Euro-Staaten.

Nach Informationen unserer Zeitung aus Regierungskreisen arbeitet bereits eine zehnköpfige Expertengruppe aus EU-Kommission, EZB und Bundesfinanzministerium an der technischen Umsetzung des Euro-Austritts Griechenlands. Dabei werde beraten, wie kurzfristige Kontrollen des Kapitalverkehrs zwischen Griechenland und den übrigen Euro-Ländern umgesetzt und mit EU-Recht vereinbart werden könnten.

Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) hatte den griechischen Euro-Austritt als verkraftbar für die Euro-Zone eingestuft. Dafür erntete er scharfe Kritik. Man dürfe den Ernstfall nicht herbeireden, hieß es in Brüssel. Um die sozialen Folgen zu lindern und Griechenland weiter zu helfen, müsste die EU voraussichtlich erneut tief in die Tasche greifen, erklärten Fachleute.

(mar)
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