Regierung plant Kredithilfen Schröder: Steuersenkungen werden nicht vorgezogen

Berlin (rpo). Ein Vorziehen der Steuerreform zur Ankurbelung der lahmenden Konjunktur kommt für Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht in Frage. Dafür soll der Wirtschaft mit massiven Kreditlinien unter die Arme gegriffen werden.

Das stellten die Bundesminister für Finanzen und Wirtschaft, Hans Eichel und Wolfgang Clement (beide SPD), sowie Grünen-Chef Reinhard Bütikofer am Donnerstag unter Hinweis auf die knappen öffentlichen Kassen klar. Ein Vorziehen der dritten Stufe würde Bürger und Wirtschaft bereits 2004 um 20 Milliarden Euro entlasten.

"Ich kann bei der derzeitigen Finanzlage nicht dauernd die Steuern senken", sagte Eichel in Frankfurt/Main. In Berlin betonte Clement: "Das ist keine Variante, weil das Geld dazu nicht da ist." Union und FDP verlangten dagegen angesichts der 4,7 Millionen Arbeitslosen im Februar neben durchgreifenden Reformen umfassende vorgezogene Steuersenkungen sowie den Verzicht auf die - für dieses Jahr mit dem Subventionsabbaugesetz - geplanten Steuererhöhungen im Umfang von 3,5 Milliarden Euro.

Mit ihrem Dementi wiesen Regierung und Grüne einen Bericht der "Berliner Zeitung" zurück. Diese hatte unter Hinweis auf die Koalition berichtet, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wolle am Freitag in einer Woche in seiner mit Spannung erwarteten Bundestagsrede unter anderem massive Steuersenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft ankündigen - auch wenn es Widerstand Eichels gebe. Schröder sagte dazu am Donnerstagabend in Bremen: "Gelegentlich versuchen auch seriöse Zeitungen Enten in die Welt zu setzen, um sie fett zu machen. Das ist eine solche."

Bereits am Vortag hatten sich Schröder und Eichel zum Stabilitätspakt und begrenzten Handlungsrahmen bekannt. Beide machten zugleich deutlich, dass mit der Kanzlerrede im Bundestag in der nächsten Woche ein spürbares Wachstumspaket auf den Weg gebracht werden soll. Es solle "Hand und Fuß" haben und kein Strohfeuerprogramm sein. "Es muss aber bezahlbar sein", sagte Schröder am späten Abend des politischen Aschermittwochs in Schwerte bei Dortmund.

Eichel sagte zur Frage des Umfangs eines zinsverbilligten Kreditprogramms für Mittelstand und Kommunen dem "Generalanzeiger" in Bonn: "Es wird etwas Gewichtiges sein, etwas das hilft." Nach dpa- Informationen wird eine Größenordnung von 7 bis 10 Milliarden Euro erwartet. In diesem Umfang soll die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau bereits vorhandene Darlehensprogramme für Mittelstand, Kommunen und Wohnungsbau ausbauen. Die Zinsverbilligung dürfte den Bundeshaushalt um höchstens dreistellige Millionenbeträge belasten. Dennoch wird die verdeckte Schuldenaufnahme von Experten kritisiert.

In der Union und bei Teilen der Wirtschaft wird die Inkaufnahme einer vorübergehenden Überschreitung der EU-Defizitgrenze von drei Prozent unter Umständen hingenommen. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dietrich Austermann, und der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, forderten ein Vorziehen der Steuerreform. Flankierend, so Ohoven, "sollte die Bundesregierung ein Investitionsprogramm über eine begrenzte und vorübergehende Erhöhung der Neuverschuldung auflegen". Dies lehnte der Industrie- und Handelskammertag ab.

Austermann rechtfertigte die Mehrbelastung von 20 Milliarden Euro im kommenden Staatshaushalt - 8 Milliarden allein beim Bund - und Überschreitung der Defizitgrenze. "Langfristig verbessern sich damit Deutschlands Chancen, aus den Schulden heraus zu kommen", sagte er.

FDP-Vize Rainer Brüderle sagte, angesichts von 4,7 Millionen Arbeitslosen sei eine Entlastung der Bürger zum Ankurbeln des Konsums dringend geboten. Umfassende Reformen verlangte FDP-Finanzsprecher Hermann Otto Solms. So sollten staatliche Leistungen wie Subventionen noch in diesem Jahr um 20 Prozent gekürzt werden. "Auf diese Weise werden rund 14,4 Milliarden Euro frei, die zur Steuersenkung und Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verwendet werden können." CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer forderte die Regierung auf, ihr Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen zurückzuziehen. Man könne nicht neue Arbeitsplätze erwarten, wenn Wirtschaft und Verbraucher zusätzlich belastet würden.

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