Rede zur Lage der Nation Der Kanzler und die "Quadratur des Kreises"

Berlin (rpo). Bundeskanzler Gerhard Schröder will das Volk in der kommenden Woche am 14. März über die Lage der Nation unterrichten. Über den Inhalt seiner Verlautbarungen weiß man nichts genaues. Was jedoch klar ist, der Kanzler steht bei seinen geplanten Reformen vor der Quadratur des Kreises.

Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. Für ein Vorziehen der Steuerreform-Stufe 2005 auf 2004 zur Ankurbelung der Konjunktur fehle das Geld, wiesen Bundesfinanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) höchst persönlich und übereinstimmend einen Zeitungsbericht zurück. Im deutschen Blätterwald rauscht es mächtig. Allerorten gibt es Ankündigungen und Vermutungen über das, was Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kommende Woche am 14. März im Bundestag dem Volk zur Lage der Nation mitteilen will.

"Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung" lautet der Titel seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung. In deren innenpolitischen Teil geht es nach dem Scheitern des Bündnisses für Arbeit um nichts weniger als eine Demonstration rot-grüner Handlungsfähigkeit: kurzfristig um ein Sofortpaket zur Überwindung der hartnäckigen Konjunktur- und Beschäftigungsflaute, mittelfristig um den weiteren Reformkurs am Arbeitsmarkt und bei den Sozialsystemen von der Rente bis zur Pflege. Der aktuell aus Nürnberg gemeldete Anstieg der Arbeitslosenzahl um rund 410.000 auf 4,7 Millionen im Februar erhöht den Druck auf den Kanzler - zumal der Zuwachs nur zum Teil winterbedingt ist.

Hohe Erwartungen

Die Erwartungen an Schröder sind hoch. Er selbst hat sich unter großen Handlungsdruck gebracht. Unmittelbar vor Beginn der Fastenzeit kündigte er am politischen Aschermittwoch im westfälischen Schwerte an, dass jetzt der Gürtel enger geschnallt werden muss: "Wir werden auch die Leistungen anschauen. Und das wird schmerzhaft sein." Das gilt besonders für Langzeitarbeitslose, die durch die angekündigte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit erheblichen Leistungskürzungen rechnen müssen.

Hier und beim sensiblen Thema der von Clement betriebenen Flexibilisierung des Kündigungsschutzes bleibt ihm der Konflikt mit den Gewerkschaften und dem linken Flügel seiner eigenen SPD-Fraktion gewiss. Auch wenn Schröder in Schwerte ankündigte, dass die Substanz des Sozialstaates erhalten bleiben soll.

Schröders geheimnisumwittertes Wachstumspaket

Dennoch: Der Kanzler will und muss jetzt die Richtung für seine zweite Legislaturperiode vorgeben, nachdem die SPD bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen und zuletzt bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein abgebürstet worden ist. Schröder hat für die Wahlpleiten die Verantwortung übernommen. Dabei beschrieb er selbst mit Blick auf die anstehenden Reformen die Quadratur des Kreises, das nahezu Unmögliche: "Wir brauchen eine neue Balance zwischen der Absicherung und der Konsolidierung unserer Haushalte auf der einen Seite und der Ankurbelung der Wirtschaft auf der anderen Seite."

Wirtschaft und Opposition warten nun gespannt auf das in den Einzelheiten noch geheimnisumwitterte Wachstumspaket Schröders. Es soll nach seiner Aussage "Hand und Fuß" haben und auch kein Strohfeuerprogramm sein. Das von den Gewerkschaften verlangte - auf Pump finanzierte - Investitionsprogramm im Umfang von 20 bis 25 Milliarden Euro wurde angesichts der Ebbe der Staatsfinanzen abgebügelt. Auch das 20 Milliarden teure Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 wurde verworfen. Damit bleibt ein Programm zinsverbilligter Kredite für den Mittelstand und die Gemeinden im Zentrum der Überlegungen.

Die Experten zweifeln

Ob das den erhofften Schub bringt, wird von Fachleuten aber angezweifelt, insbesondere nachdem die Kommunen auf die Unfinanzierbarkeit neuer Investitionen hingewiesen haben. Alles, was Unternehmer entlastet, könnte theoretisch zu mehr Arbeitsplätzen führen. Doch egal welche Schritte jetzt unternommen werden: Ein Erfolg hängt auch sehr von der Dauer eines möglichen Irak-Krieges ab.

Mit dem vielfach erwarteten "Alleingang" Schröders nach dem Scheitern des Bündnisses für Arbeit dürfte es ebenfalls nicht besonders weit her sein. Der Kanzler selbst forderte gerade wieder die Wirtschaft auf, sich "nicht vom Acker" zu stehlen und für ausreichende Ausbildungsplätze zu sorgen. Zudem bleibt er bei den konkreten Gesetzesvorhaben im Bundestag auf die Linken seiner Fraktion und im Bundesrat auf die Union angewiesen. Rätselhaft bleibt, wie die Regierung die Sozialbeiträge von über 42 auf unter 40 Prozent drücken will. Schröder muss vor allem bei der Gesundheitsreform, aber auch bei Rente und Pflege Farbe bekennen. Deutschland steht vor einem anhaltenden Machtpoker.

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