Analyse Recht und Versicherung - alle Fragen

Düsseldorf · Ratgeber Nach dem Unwetter in NRW gibt es Tausende Versicherungsschäden. Viele kamen zu spät zur Arbeit, weil Straßen verstopft waren, Bahnen verspätet fuhren oder ausfielen. Was Versicherte und Arbeitnehmer wissen müssen.

Starkregen, umgestürzte Bäume, Hagel, Orkanböen - der Sturm über NRW hat sechs Menschenleben gefordert und in Tausenden Fällen hohe Sachschäden ausgelöst. Viele kamen gestern gar nicht oder zu spät zur Arbeit, weil sie im Stau standen, ihre Bahn nicht fuhr oder umgestürzte Bäume die Fahrbahn blockierten. Am Tag nach dem Chaos stellen sich viele Fragen für Arbeitnehmer und Versicherte.

Welche Gebäudeschäden sind versichert?

Sturm- und Hagelschäden am Gebäude sind über die Wohngebäudeversicherung abgesichert. Als Sturm gilt mindestens Windstärke acht. "Die wurde durch den Orkan deutlich überschritten. In der Spitze lag die Windgeschwindigkeit bei 144 km/h", sagt Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst. Versichert ist neben dem Gebäude in der Regel auch Zubehör wie Markisen oder Satellitenschüsseln am Haus.

Was ist nicht versichert?

Teilweise müssen Versicherte damit rechnen, dass sie auf den Aufräumkosten für Bäume sitzenbleiben. "In vielen älteren Wohngebäudepolicen sind diese Kosten nicht mitversichert", warnt Versicherungsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf. Unter Umständen muss der Hausbesitzer sogar die Entsorgungskosten für einen fremden Baum tragen, der auf sein Grundstück gefallen ist. "Die Haftpflichtversicherung des Baumeigentümers zahlt bei Sturm nicht. Das gilt als höhere Gewalt", erläutert Brück.

Ist man bei Starkregen automatisch versichert?

Nein. Nur wer in seiner Wohngebäude- oder Hausratversicherung sogenannte Elementarschäden mit versichert hat, kann eine Entschädigung vom Versicherer verlangen, wenn Wasser von außen eindringt.

Wer zahlt Wohnungsschäden?

Die Hausratversicherung springt ein, wenn Einrichtung durch Sturm beschädigt oder zerstört wird. Das gilt beispielsweise, wenn der Sturm das Dach abdeckt oder ein Fenster eindrückt und Regen das Mobiliar beschädigt. Auch Überspannungsschäden durch Blitzschlag sind abgesichert.

Wie sind Fahrzeuge versichert?

Schäden an Autos durch umgestürzte Bäume, Baugerüste oder Hagel übernimmt die Teilkaskoversicherung. Sie greift auch, wenn der Wagen überschwemmt wird - weil er beispielsweise in einer überfluteten Tiefgarage steht. Versichert sind alle Schäden, die direkt durch den Sturm verursacht werden, wie beispielsweise herumwirbelnde Äste. Eine vereinbarte Selbstbeteiligung wird vom Schaden abgezogen; der Schadenfreiheits-Rabatt bleibt unberührt. Sind Dachpfannen oder Fassadenteile ursächlich für den Schaden, haftet der Gebäudebesitzer.

Wie werden Kfz-Schäden reguliert?

Bei Kleinschäden reicht nach Rücksprache mit dem Versicherer meist ein Kostenvoranschlag. Bei größeren Schäden begutachtet der Versicherer den Schaden. "Möglich ist es auch in der Kaskoversicherung, auf Basis eines Gutachtens ,fiktiv' abzurechnen und sich die Reparatursumme vom Versicherer auszahlen zu lassen", erläutert Christian Koch von der Dortmunder Kanzlei Becker Ling. Allein die Mehrwertsteuer darf der Versicherer dann einbehalten, weil nicht tatsächlich repariert wurde. Wichtig: Autofahrer, die einen Tarif mit Werkstattbindung abgeschlossen haben, müssen in die Partnerwerkstatt. "Andernfalls kann der Versicherer einen hohen Abzug vornehmen", warnt Brück.

Wann muss man Schäden melden?

So schnell wie möglich, erklärt der Düsseldorfer Versicherer Arag. In den meisten Fällen genügt ein Anruf beim Vermittler oder Makler, ehe die schriftliche Schadenmeldung folgt. Der Versicherte kann in Absprache mit dem Versicherer schon vor dem Besuch eines Gutachters Not-Reparaturen in Auftrag geben, damit keine Folgeschäden entstehen. Aber man sollte zur Absicherung den Schaden immer fotografieren.

Was ist mit Abfindungserklärungen?

Vielfach dürfen Außendienst-Mitarbeiter bei Schäden bis 2000 Euro sofort zahlen. Mit der Annahme eines Schecks sollte man aber keine Abfindungserklärung unterschreiben, warnt der Deutsche Anwaltverein. Reicht nämlich die vereinbarte Summe nicht aus, kann der Kunde nichts mehr nachfordern. Dabei sind Nachverhandlungen meist sehr erfolgreich. "Gibt es unlösbaren Streit um die Höhe der Entschädigung, muss in der Kaskoversicherung vor der gerichtlichen Klage ein Gutachterverfahren durchlaufen werden", sagt Jürgen Karpf, Versicherungsberater aus Mering bei Augsburg.

Wer zahlt bei Bahn-Verspätungen?

Bahnunternehmen müssen ihren Kunden auch dann den Fahrpreis teilweise erstatten, wenn Verspätungen durch schlechtes Wetter, also höhere Gewalt verursacht werden. Das hat der Europäische Gerichtshof im Dezember des vergangenen Jahres entschieden (Aktenzeichen C-509/11). Danach kann ein Fahrgast 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen, wenn die Verspätung mehr als 60 Minuten beträgt. Bei mehr als zwei Stunden hat er Anspruch auf die Hälfte des gezahlten Fahrpreises.

Und wenn ich dann ein Taxi nehme?

Anspruch auf ein Taxi haben Zugreisende nur, wenn ihr Zug mehr als 60 Minuten Verspätung hat - und das auch nur, wenn der Zug nach Fahrplan zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens eintreffen sollte und die Bahn keine Alternative anbietet. Fahrtkosten werden zudem nur bis 80 Euro ersetzt.

Was ist, wenn ich zu spät im Büro bin oder gar nicht komme?

Kein Mitarbeiter darf unentschuldigt zu Hause bleiben. Auch nach einem Unwetter wie am Pfingstsonntag muss man seinen Arbeitgeber darüber informieren, wenn man nicht oder nur mit erheblicher Verspätung ins Büro kommen kann.

Wer keine Möglichkeit hat oder nur unter großer Gefahr kommen kann, wird beim Arbeitgeber indes vermutlich nicht auf taube Ohren stoßen. Denn der dürfte kein Interesse daran haben, dass sein Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit verunglückt und dann womöglich für längere Zeit ausfällt. Der Chef kann seinem Beschäftigten dann erlauben, zu Hause zu bleiben, und ihn unbezahlt freistellen, nacharbeiten lassen oder den Tag als Urlaub abrechnen.

(RP)
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