Warschau Neues Bildungssystem in Polen: Chaos bei der Einschulung

Warschau · Der Schulbeginn in Polen beginnt mit Protest. "Nein zu dem Chaos in unseren Schulen" - unter diesem Motto hatte die "Gewerkschaft der polnischen Lehrer" gestern zu einer Protestaktion vor dem Erziehungsministerium geladen. Grund des Ärgers ist die neue Schulreform, die nun in Kraft tritt und durch die bereits rund 10.000 Lehrer ihren Job verloren haben, 22.000 werden prekär beschäftigt, so die Gewerkschaft. Die größte Umwälzung der Bildungsinitiative der nationalkonservativen Regierung ist die Rückkehr von der dreistufigen Schulform zu einer zweistufigen. Das dreijährige Gymnasium, das zwischen Grundschule und Lyzeum (beste Schule) geschaltet war, soll entfallen. Dafür wurde die Grundschule um zwei Jahre verlängert, das Lyzeum um ein Jahr. Zudem schließt sich die Berufsschule, eine Alternative zum Lyzeum, der Grundschule an. Dort werden wohl auch viele begabte Schüler landen, die eigentlich mit Matura (Abitur) abschließen wollen. Denn in zwei Jahren treffen zwei Jahrgänge, die Abgänger der verlängerten Grundschule und der letzte, der noch bestehenden Gymnasien auf die Lyzeen, die theoretisch über doppelt so viel Kapazitäten verfügen müssten - was jedoch nicht der Fall ist.

Dies treibt viele Eltern auf die Palme, mehrere Massendemonstrationen gab es schon, auch aufgrund der inhaltlichen Veränderungen im Lehrplan. Es wird mehr Geschichtsunterricht geben auf Kosten der Naturwissenschaften. Nach Piotr Glinski, dem Minister für "Kultur und Nationales Erbe" würde den polnischen Schülern nun ein "Kultur-Code" eingeimpft, der den Nationalstolz bilden und aus "Individualisten Mitglieder einer nationalen Gemeinschaft" formen soll.

"Wir haben nun die Situation, dass in der Schule Hinterwäldler anstatt Weltbürger herangezogen werden" so Katarzyna Lubnauer, die Fraktionsvorsitzende der Oppositionspartei "Modernes Polen". Doch die Reform hat ihre Unterstützer, nach jüngsten Umfragen sind es 41 Prozent, und wäre sie nicht so chaotisch umgesetzt - so fehlen für drei Klassen zu Schulanfang die Lehrbücher - wären es noch weit mehr.

Denn die PiS kehrt zum alten Schulsystem zurück, das so im Sozialismus wirkte und bis in das Jahr 1999 andauerte. Bei vielen Erwachsenen wird heute die Schulzeit verklärt, es gibt ein Trend hin zum Vertrauten, auch bei Gegnern der Regierung. Dabei wurde das verbindliche Gymnasium damals von einer konservativen Regierungskoalition eingeführt, um die Schüler auf dem Land besser zu fördern. In Pisa-Studien schloss Polen zuletzt sehr gut ab und zog mit Finnland gleich. Problematisch für die Schüler der aktuell zwei Klassen des Gymnasiums ist, dass die dortigen Lehrer verunsichert sind, da sie in einem von der Regierung abgelehnten Schulsystem unterrichten müssen.

(RP)
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