Interview mit Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt "Grüne sprechen überall Bürgertum an"

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) über den Erfolg in Stuttgart und ihren Kampf um die Spitzenkandidatur

Was können die Grünen von Fritz Kuhns Sieg in Stuttgart lernen?

Göring-Eckardt Die Grünen können sich vor allem freuen. Zum zweiten Mal ist es in Baden-Württemberg gelungen, die Hegemonie der CDU zu brechen. Dass die Union nun nervös wird und fürchtet, sie könne keine großen Städte mehr gewinnen, ist folgerichtig. Kuhn ist es in Stuttgart gelungen, deutlich zu machen: Wir machen Politik auch für die Mitte der Gesellschaft.

Bürgerliche Wähler ansprechen — ist das die Strategie im Bund 2013?

Göring-Eckardt Das ist schon längst unsere Strategie. Wir sprechen in der ganzen Republik ein aufgeklärtes Bürgertum an, dem Bürgerrechte wichtig sind, das mitreden und mitbestimmen möchte und dem auch soziale Fragen und die Chancen der nächsten Generation und die Ökologie wichtig sind. Uns wählen inzwischen auch enttäuschte CDU-Wähler, die glaubwürdige und werteorientierte Politik wünschen. Diese Wähler sollten wir gezielt stärker ansprechen.

Das sind doch Stilfragen. CDU-Wähler lassen sich doch nicht mit Positionen wie einer Vermögensteuer locken.

Göring-Eckardt Das ist auch eine inhaltliche Frage. Es geht um Leute, die sich gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft wenden. Im Übrigen wollen wir die Einnahmen aus der Vermögensabgabe nicht ausgeben, sondern wir wollen damit die Schulden tilgen. Das ist eine klare Aussage für die Generationengerechtigkeit.

Sie galten lange als Schwarz-Grüne. Nun profilieren Sie sich mit linken Positionen in der Sozialpolitik. Was ist passiert?

Göring-Eckardt Das Schwarz-Grüne ist vor allem eine Zuschreibung. Politische Zusammenarbeit ist für mich keine ideologische, sondern eine inhaltliche Frage, und da sind wir nun mal näher an der SPD und meilenweit von der Union entfernt. Mir kommt es darauf an, dass wir einen eigenständigen grünen Bundestagswahlkampf machen.

Wollen Sie auch keine Koalitionsaussage machen?

Göring-Eckardt Wie gesagt, wir werden einen eigenständigen Wahlkampf machen und wollen 2013 mit der SPD regieren.

Als Spitzenkandidatin müssen Sie auch mal eine "Rampensau" sein. Können Sie das eigentlich?

Göring-Eckardt Klare und deutliche Angriffe kann man von mir erwarten, ebenso Zuspitzung. Ich glaube, dass es heute in Wahlkämpfen wichtig ist, dass ich in der Auseinandersetzung sachlich, nachvollziehbar und glaubwürdig bleibe. Die Glaubwürdigkeit ist für die Grünen der zentrale Punkt.

Ist Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat eine gute Wahl aus Sicht der Grünen?

Göring-Eckardt Die SPD bestimmt ihr Spitzenpersonal, wir das unsrige. Da mischen sich beide Seiten nicht wechselseitig ein. Die Grünen werden in einer rot-grünen Koalition ein selbstbewusster Partner sein. Da hat die Beinfreiheit Grenzen.

Er will vielleicht nur keine Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen.

Göring-Eckardt Auch das könnte passieren, wenn es keine ordentlichen Verabredungen gibt.

Michael Bröcker und Eva Quadbeck führten das Gespräch.

(brö, qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort