Gaddafi lässt Leichen an zerbombte Orte bringen

Bin Dschawad (RP) Eine Woche nach Beginn alliierter Luftangriffe haben die libyschen Rebellen am Wochenende gleich mehrere Etappensiege errungen. Nach der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Adschdabija am Samstag setzten die Aufständischen ihren Vormarsch nach Westen mit hoher Geschwindigkeit fort. Die Rebellen stießen gestern bis Bin Dschawad vor, das gut 500 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis liegt. Damit haben die Aufständischen wieder alle großen Ölhäfen im Osten des Landes unter Kontrolle – darunter auch Brega und Ras Lanuf.

Mit ihrem Vormarsch vergrößerten die Rebellen das von ihnen kontrollierte Gebiet beträchtlich. Brega, die südlichste Hafenstadt des Mittelmeers, liegt im östlichen Drittel Libyens. "Es gibt hier keine Gaddafi-Truppen mehr, die Rebellen haben Brega unter ihrer vollen Kontrolle", sagte Rebellenkommandeur Ahmed Dschibril gestern. Gaddafis Soldaten seien am Samstagabend geflohen.

Ein 31-jähriger Freiwilliger der Rebellentruppe, Suleiman Ibrahim, erklärte, Gaddafis Truppen hätten keinen Widerstand geleistet. "Sie verschwanden einfach. Ohne Nato wäre das nicht geschehen. Die Nato hat uns große Unterstützung gegeben", sagte er.

Die Rückeroberung des nordöstlich gelegenen Adschdabija am Samstag war der erste große Sieg der Rebellen in einem Konflikt, in dem bis zum Eingreifen der internationalen Koalition die Truppen Gaddafis schon kurz vor dem Sieg schienen. Dies scheint sich mit der Schwächung von Gaddafis Streitkräften durch die internationalen Truppen nun umzukehren. Gestern hat die Nato beschlossen, das vollständige Kommando über den Militäreinsatz in Libyen zu übernehmen. Damit übernimmt sie auch die Führung der Luftangriffe, die bislang von einer Koalition der USA, Großbritanniens und Frankreichs angeführt wurden.

Gaddafis Regierung warf der Koalition Parteinahme für die Rebellen vor. Damit werde versucht, das nordafrikanische Land an den Rand eines Bürgerkriegs zu drängen, sagte der stellvertretende Außenminister Chaled Kaim in Tripolis. Mit direkten Angriffen auf Gaddafis Einheiten gingen die internationalen Truppen über das Mandat des UN-Sicherheitsrats hinaus, die Zivilbevölkerung zu schützen.

US-Präsident Barack Obama erklärte unterdessen in seiner wöchentlichen Rundfunk- und Internetansprache, das Militärbündnis sei bei der Durchsetzung der UN-Sicherheitsresolution erfolgreich. Die libysche Luftverteidigung sei ausgeschaltet. Die US-Regierung hat zudem Vorwürfe zurückgewiesen, bei Luftangriffen der internationalen Militärallianz seien Zivilisten getötet worden. Zahlreiche Geheimdienstberichte deuteten laut US-Verteidigungsminister Robert Gates vielmehr darauf hin, dass die Truppen Gaddafis Leichen an von der US-Luftwaffe angegriffenen Orten ablegen.

Unterdessen hält die Kritik an der Haltung der Bundesregierung in der Libyen-Krise an. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) sagte dem "Spiegel", die Enthaltung sei "ein schwerer Fehler von historischer Dimension mit unvermeidlichen Spätfolgen". Die katholische Kirche in Deutschland stellte sich hinter den Militäreinsatz. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, erklärte, er könne die Gründe für das Eingreifen verstehen.

(RP)
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