Beck verliert absolute Mehrheit

Die SPD büßt bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz fast zehn Prozentpunkte ein, bleibt aber stärkste Partei. Knapp geschlagen trotz leichter Zugewinne ist die CDU. Ministerpräsident Kurt Beck muss sich jetzt mit den Grünen arrangieren, die ihr Ergebnis verdreifachen. Die FDP scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde.

Mainz (RP) 18 Uhr. Mäuschenstille im Fraktionssaal der rheinland-pfälzischen SPD: Rund 200 Menschen drängen sich in dem völlig überfüllten Raum. Es ist so voll, dass die Abgeordneten Schwierigkeiten haben, die Bildschirme zu sehen. Bier und Wein fließen bereits reichlich, aber die Stimmung ist äußerst angespannt. "Verdient hätten wir 40 plus", sagt einer. Das war auch das Wahlziel, das Kurt Beck vor der Wahl ausgegeben hatte. Als die erste Prognose kommt, herrscht denn auch sekundenlanges Schweigen: nur 35 Prozent für die SPD. Da geht erst einmal ein Stöhnen durch den Raum.

Als dann aber die SPD bei der Prognose knapp vor der CDU liegt, brandet Jubel auf. Die Anspannung entlädt sich in minutenlangem Beifall. Als die Ergebnis-Säule der Grünen auf mehr als 15 Prozent wächst, wird klar: Rot-Grün ist jetzt das Gebot der Stunde. "Das werden harte Verhandlungen", prophezeit der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. Mit "bärenstarken" Grünen, die aber nach fünf Jahren Landtagsabstinenz unerfahren seien, werde das Regieren nicht einfach. Dass die CDU der SPD so nahe kommen würde, hätten sie hier nicht geglaubt. "Na ja", sagt ein SPD-Sprecher: "Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss. Es geht jedenfalls weiter."

Die Prognosen bestätigten sich im Lauf des Abends: Die SPD bleibt in Rheinland-Pfalz stärkste Partei, muss aber schwere Verluste hinnehmen. Obwohl die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit einbüßen, kann Kurt Beck (SPD) Ministerpräsident in Mainz bleiben, weil die Grünen ihren Stimmenanteil verdreifachen. Die CDU unter Führung der ehemaligen Weinkönigin Julia Klöckner liegt nur noch knapp hinter der SPD; FDP und Linke scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.

Schon eine knappe Stunde nach Schließung der Wahllokale tritt der Regierungschef vor die Mikrofone. Beck kündigt an, schnell Gespräche mit den Grünen zur Regierungsbildung aufzunehmen. Nächste Woche werde er "in die Gespräche eintreten", sagt er. Zugleich erteilt er einer großen Koalition mit der CDU eine klare Absage. Angesichts der Japan-Katastrophe habe die Furcht vieler Menschen vor der Atomkraft den Grünen zum Vorteil gereicht. Beck signalisiert Bereitschaft zu Zugeständnissen. "Wenn die Wähler einer Partei eine starke Ausstattung mitgeben haben, muss man in den Inhalten auch darauf eingehen, das ist keine Frage", sagt Beck.

Grünen-Spitzenkandidat Daniel Köbler führt das gute Ergebnis seiner Partei auch auf die Bundespolitik zurück. "Das war eine klare Klatsche für den Atom-Lobby-Kurs von Merkel und Westerwelle", sagt er. Nach den Landtagswahlen müsse nun die Energiewende vorangetrieben und "der Druck hochgehalten werden für den Atomausstieg".

Die Anhänger der CDU wussten nicht recht, ob sie jubeln oder trauern sollten. Angesichts der ersten Hochrechnungen brandete bei der Wahlparty im Mainzer Abgeordnetenhaus zwar Jubel auf – "Sauber", rief etwa einer. Doch schnell machte sich auch Ernüchterung breit: "Es ist traurig, wenn man Wahlkampf macht und es dann doch nur für die Oppositionsrolle reicht", sagte einer der Gäste. Lob gab es dagegen für Becks Kontrahentin, Spitzenkandidatin Julia Klöckner. "Wir gehen mit einer tollen Kraft in die Zukunft", sagte die Landtagsabgeordnete Dorothea Schäfer. Klöckner habe maßgeblichen Anteil an dem leichten CDU-Aufschwung. Die Herausforderin selbst gab sich mit dem Wahlausgang zufrieden. Die Wähler hätten klare Bekenntnisse abgegeben, sagte Klöckner.

Abgestürzt sind dagegen die Liberalen – sie halbierten ihr Ergebnis von 2006. Die FDP machte vor allem die Diskussion nach der Reaktorkatastrophe in Japan für voraussichtliches Ausscheiden aus dem Landtag verantwortlich. Die Partei habe einen engagierten Wahlkampf gemacht und dabei in den vergangenen Monaten auch eine "gute Aufholjagd" hingelegt, sagte FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin. Der Wahlkampf sei dann aber von einem Ereignis überlagert worden, das niemand beeinflussen konnte, sagte Mertin mit Blick auf Japan.

Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, zugleich Chef der rheinland-pfälzischen FDP. "Nun kommt es darauf an, dass wir die Arbeit gemeinsam fortsetzen", fügte er hinzu.

(RP)
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