Bundestag entscheidet über Hilfen für Griechenland Vor der Abstimmung wachsen die Zweifel

Eigentlich gilt die Mehrheit für den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel als sicher. Am Wochenende jedoch vertiefen sich die Risse im Koalitionsgebälk. Der Innenminister zweifelt offen den Rettungskurs der Kanzlerin an. Und ist damit nicht allein.

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Foto: dpa, Alkis Konstantinidis

Als erstes Regierungsmitglied sprach sich Innenminister Hans-Peter Friedrich am Wochenende offen für ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone aus. Aus Sicht der Bundesregierung ein radikaler Kurswechsel. Der CSU-Politiker weiß sich dabei allerdings einer Umfrage zufolge von der Mehrheit der Deutschen gestützt: Nur noch 31 Prozent glauben danach noch an eine Rettung Griechenlands. Knapp zwei Drittel sind gegen das zweite Paket, das der Bundestag am Montag beschließen will.

Bei der Abstimmung im Parlament gilt eine breite Mehrheit als sicher, weil auch SPD und Grüne Zustimmung signalisiert haben. Angesichts kritischer Stimmen aus der Union ist aber offen, ob die sogenannte Kanzlermehrheit erreicht wird. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zeigte sich in dieser Frage gegenüber unserer Redaktion zuversichtlich, dass sich die Koalitionsfraktionen in sehr großer Geschlossenheit hinter das Hilfspaket für Griechenland stellen werden".

Dennoch: Ein Riss im Zusammenhalt der Bundesregierung ist auszumachen. Von bedingsungsloser Unterstützung für Merkels Rettungskurs kann kaum noch die Rede sein. Die Süddeutsche Zeitung berichtet sogar, dass auch Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Zweifel Friedrichs teilen. Intern hätten auch andere Ressortchefs zu erkennen gegeben, dass sie kaum noch an einen Erfolg glauben - darunter auch Rösler und Schäuble.

In der Öffentlichkeuit stieß Friedrich dennoch umgehend auf Widerspruch aus der CDU.
Die Opposition forderte bereits ein Machtwort der Kanzlerin. Zugleich geriet am Wochenende das strikte Nein der Bundesregierung zu einer Aufstockung des künftigen Euro-Rettungsschirms ESM ins Wanken.

Regierungskurs "unverändert"

Zur Zukunft Griechenlands sagte Friedrich dem Magazin "Der Spiegel": "Außerhalb der Währungsunion sind die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren und wettbewerbsfähig zu werden, mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt." Er rede nicht davon, "Griechenland rauszuschmeißen, sondern Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können".

Aus Regierungskreisen hieß es dazu, die Politik der Bundesregierung ziele "unverändert" auf eine Stabilisierung Griechenlands in der Eurozone mit massiven Eigenanstrengungen der Griechen und mit europäischer Hilfe ab. Dem diene das zweite Hilfsprogramm, über das der Bundestag jetzt entscheide.

Kauder: Wir wollen die Griechen halten

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) machte in der ARD und im ZDF klar: "Wir wollen die Griechen in der Euro-Zone halten." Er halte von solchen Diskussionen nichts. "Wir sind schon der Auffassung, dass wir selber keinen Beitrag dazu leisten sollten, irgendein Mitglied aus der Euro-Zone heraus zu drängen."

Die SPD verlangte ein Machtwort der Kanzlerin: "Frau Merkel muss Minister (Hans-Peter) Friedrich schnell zur Ordnung rufen, wenn sie noch eine Chance für eine eigene Mehrheit im Bundestag haben will", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann der "Welt" (Montag). Man könne nicht Griechenland mit 130 Milliarden Euro unterstützen und "am Tag vor einer entscheidenden Abstimmung den Regierungskurs ganz grundsätzlich infrage" stellen.

"Gezielte Provokation"

Die Grünen im Bundestag nannten Friedrichs Äußerung unsäglich.
"Sein Vorschlag ist eine gezielte Provokation der CSU kurz vor der wichtigen Abstimmung über die Griechenland-Hilfen", sagte der finanzpolitische Sprecher Gerhard Schick der "taz" (Montag).

FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms nannte den Vorstoß Friedrichs in der "Saarbrücker Zeitung" untauglich. Unterstützung bekam Friedrich vom bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU), der sich für einen "geordneten Austritt" Griechenlands aus dem Euro aussprach.

SPD will zustimmen

Der Bundestag stimmt an diesem Montag über das zweite Griechenland-Paket in Höhe von 130 Milliarden Euro ab. Bewilligt werden sollen zudem weitere 24,4 Milliarden Euro, die aus dem ersten Hilfspaket bisher nicht abgeflossen sind. Die Zustimmung gilt als sicher. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine breite Zustimmung seiner Partei zu den Griechenland-Hilfen angekündigt.

CSU-Chef Seehofer gab als Ziel der Abstimmung die Kanzlermehrheit aus. "Das wäre für die Koalition wirklich gut", sagte er der "Bild am Sonntag". Für die Kanzlermehrheit müssen Union und FDP eine Stimme mehr als die Hälfte der Sitze im Bundestag zusammenbekommen. Mehrere Koalitionsabgeordnete haben erklärt, dass sie gegen das neue Hilfspaket stimmen wollen.

Umfrage: Klare Mehrheit gegen neue Hilfen

Eine klare Mehrheit der Bundesbürger von 62 Prozent ist laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" gegen das neue 130-Milliarden-Euro-Programm, 33 Prozent sprachen sich dafür aus. Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) sind überzeugt, dass Griechenland nicht vor der Staatspleite gerettet werden kann.

Im Streit über die Höhe der künftigen Brandmauer um die Eurozone wackelt die Haltung der Bundesregierung, die seit Monaten vehementen Forderungen aus aller Welt nach mehr Geld ausgesetzt ist. Die Nachrichtenagentur dpa erfuhr aus Koalitionskreisen, dass die Regierung einer Aufstockung des ESM doch zustimmen könnte. Wie auch der "Focus" schreibt, könnten die Mittel im künftigen Euro-Rettungsschirm von 500 Milliarden auf bis zu 750 Milliarden Euro erhöht werden. Demnach sollen nicht verbrauchte Mittel aus dem bisherigen Krisenfonds EFSF hinzugefügt werden.

Deutschland beim G20-Gipfel unter Druck

Beim G20-Finanzministertreffen in Mexiko-Stadt forderten zahlreiche Länder, dass die Europäer noch mehr Geld zur Überwindung der Schuldenkrise in die Hand nehmen müssten. US-Finanzminister Timothy Geithner rief die Europäer und damit vor allem die Deutschen erneut auf, ihre Zahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF)
aufzustocken. Er forderte abermals "stärkere und überzeugendere Brandmauern". Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schlug sogar eine Brandmauer von 1,5 Billionen Dollar vor.

Für Diskussionen sorgte unterdessen der Plan der EU-Kommission, deutsche Finanzbeamte in Griechenland im Kampf gegen Steuersünder einzusetzen. Es stünden bereits über 160 Freiwillige bereit, sagte Finanzstaatssekretär Hans Bernhard Beus der "Wirtschaftswoche". Die deutsche Steuergewerkschaft hält nichts von dem Vorschlag, wie ihr Chef Thomas Eigenthaler der Zeitung "Sonntag Aktuell" sagte: "Die Stimmung gegen Deutsche in Griechenland ist so aufgeheizt, da ist unsere tätige Mithilfe vor Ort nicht erwünscht."

(REU)
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