Neue Regierung in Italien steht Monti wird auch Wirtschaftsminister

Rom · Mit einer Regierung aus Technokraten zieht Italiens designierter Ministerpräsident Mario Monti in den Kampf gegen die Schuldenkrise, die sein Land an den Rand des finanziellen Kollaps getrieben hat. Kein einziges Ministerium soll unter dem ausgewiesenen Wirtschaftsexperten von einem Berufspolitiker geführt werden. Stattdessen will Monti selbst zusätzlich das Wirtschaftsministerium leiten.

Mario Monti - ein deutscher Italiener
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Ein weiteres Schlüsselressort, das für Infrastruktur und Industrie, werde an den Chef der Großbank Intesa Sanpaolo, Corrado Passera, gehen, gab Monti am Mittwoch bei der mit Spannung erwarteten Vorstellung seiner Regierungsmannschaft bekannt. Noch am Nachmittag sollte das Kabinett vereidigt werden.

Damit gelang dem hoch angesehenen ehemaligen EU-Kommissar überraschend zügig die Aufstellung einer Regierungsmannschaft. Erst am Sonntag hatte ihn Staatschef Giorgio Napolitano mit der Regierungsbildung beauftragt, nachdem Silvio Berlusconi den Posten des Ministerpräsidenten geräumt hatte.

Die Zeit drängt

Das politisch unerprobte Team muss Italien aus der schweren Schuldenkrise führen, die es an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geführt hat und die gesamte Eurozone gefährdet.

Die Zeit drängt, denn am Mittwoch grassierten am Finanzmarkt erneut Zweifel, ob Italien die Wende schaffen kann: Die Renditen italienischer Staatsanleihen kletterten erneut über die als kritisch geltende Schwelle von sieben Prozent.

Auf diesem Niveau ist der italienische Schuldenberg langfristig nicht tragbar. Die erste Reaktion der Finanzmärkte auf das Krisenkabinett fiel ernüchternd aus: An der Mailänder Börse gaben die Aktienkurse nach. Auch die von Investoren geforderten hohen Risikoaufschläge auf italienische Anleihen ließen keine Entspannung erkennen.

Bei der Vorstellung der Minister erklärte Monti, der Erfolg der neuen Regierung werde entscheidend davon abhängen, ob sie sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament von den geplanten Reformen überzeugen könne. Dabei werde die Abwesenheit von Politikern ein Vorteil und kein Nachteil sein, zeigte sich Monti überzeugt. Er hoffe, dass die Regierung zu einer Beruhigung des politischen Klimas in Italien beitragen könne. Einen Interessenskonflikt bei der Ernennung des Bankmanagers Passera sehe er nicht, erklärte Monti.

Volkswirte zeigten sich in ersten Reaktionen zufrieden mit der Auswahl der Minister, von denen viele anerkannte Spezialisten sind. Sie bemängelten jedoch gleichzeitig, dass Monti zunächst keine Angaben zum inhaltlichen Kurs der Regierung machte. Der 68-Jährige kündigte an, sein Sparprogramm am Donnerstag im Senat vorzustellen. Anschließend findet voraussichtlich die Vertrauensabstimmung in beiden Parlamentskammern statt.

Monti steht vor Herkusles-Aufgabe

Montis Kabinett muss die zahlreichen Reformen umsetzen, die Berlusconi den übrigen Ländern der Euro-Zone zugesagt hat. Damit soll die Verschuldung abgebaut und die seit Jahren stagnierende Wirtschaft wieder angekurbelt werden. In der Bevölkerung dürften die Einschnitte aber auf erheblichen Widerstand stoßen.

Sollte Monti scheitern, wird Italien auf den Märkten wohl noch weiter in Bedrängnis geraten - und damit auch die gesamte Eurozone. Eine Rettung des mit knapp zwei Billionen Euro verschuldeten EU-Gründungsmitglieds mit den derzeit zur Verfügungen stehenden Mitteln der Eurozone gilt als unmöglich.

Allein bis Jahresende muss Italien Anleihen im Wert von knapp 60 Milliarden Euro refinanzieren, bis Oktober 2012 sind es fast 326 Milliarden. Dafür braucht Italien frisches Geld von Investoren. Jeder Prozentpunkt mehr an Zinsen kostete das ohnehin schon hoch verschuldete Land weitere Milliarden.

Erhebliche Zweifel

Viele Finanzexperten hegen erhebliche Zweifel, ob Monti diese Herkules-Aufgabe bewältigen kann. Sorgen bereitet den Experten vor allem die italienische Kombination aus hohen Schulden und lethargischem Wirtschaftswachstum: Der Schuldenstand des Landes wird kommendes Jahr bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung verharren - das ist doppelt so viel wie der Euro-Stabilitätspakt erlaubt. Gleichzeitig wird die drittgrößte Volkswirtschaft Europas auch 2012 den Prognosen zufolge wirtschaftlich nicht auf die Beine kommen.

Wegen komplizierter Berechnungen blies Italien die Veröffentlichung von vorläufigen Daten zur Wirtschaftsleistung im dritten Quartal ab. Es gilt als ausgemacht, dass die Leistung der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone von Juli bis September geschrumpft ist. Im vierten Quartal wird von einem weiteren Rückgang ausgegangen, was den Schuldendienst weiter erschweren wird.

(Reuters/AFP)
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