Überwindung der Schuldenkrise Merkel will EU-Verträge ändern

Berlin · Die Bundesregierung drückt bei der von Deutschland geforderten Reform des EU-Vertrages zur Überwindung der Schuldenkrise aufs Tempo. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen möchte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die 27 EU-Staaten die Vertragsänderung bereits bis Ende 2012 umgesetzt haben.

In der EU ist die deutsche Forderung nach einer Vertragsänderung zwar umstritten, doch der Eurozonen-Gipfel im Oktober hatte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bereits den Auftrag erteilt, bis zum EU-Gipfel im Dezember Vorschläge für eine Vertragsänderung vorzulegen.

Deutscher Wunsch ist es, dass spätestens im Frühjahr 2012 ein konkreter Änderungstext vorliegt, den dann ein sogenannter Regierungs-Konvent beschließen kann. Etliche Regierungen sind gegen dieses Vorgehen, weil sie schwierige nationale Referenden befürchten.

Anders als die Bundesregierung halten einige zudem eine Vertragsänderung nicht für nötig, um härter gegen notorische Defizitsünder in der Euro-Zone vorzugehen. Merkel hat dagegen aber mehrfach betont, ein europäisches Eingriffsrecht in nationale Haushaltspolitik müsse im Notfall möglich sein, um die Stabilität der gemeinsamen Währung auf Dauer zu sichern.

Relativ begrenzte Änderung

Die Bundesregierung zielt dabei jedoch bisher nur auf eine relativ begrenzte Änderung, mit der sichergestellt werden soll, dass Defizitsünder in der Euro-Zone stärker sanktioniert werden können. Deshalb soll im EU-Vertrag etwa ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof beschlossen werden. Dieser soll nationale Haushalte, die gegen Auflagen des europäischen Stabilitätspaketes verstoßen, für ungültig erklären können - ohne sich aber in die Details der nationalen Etataufstellung einzumischen.

Zudem soll die Rolle der EU-Kommission bei der Aufsicht der Haushalten der 17 Euro-Zonen-Staaten verstärkt werden. Die Kanzlerin will dies unbedingt im Rahmen der EU-Verträge festschreiben, um ein Auseinanderdriften zwischen der Eurozone (17 Staaten) und den restlichen zehn Nicht-Euro-Staaten in der Union zu verhindern.

Außerdem gelten die Defizit-Auflagen des Stabilitätspakets für alle 27 EU-Staaten. Offenbar hält die Bundesregierung eine Änderung des Grundgesetzes für unnötig. Ein Argument dafür ist, dass es letztlich nur darum gehe, wie die bereits beschlossenen und vom Verfassungsgericht bestätigten Ziele des Maastricht-Vertrages zur Währungsunion erreicht werden könnten.

Warnung vor einer verstärkten europäischen Integration

Eingriffsrechte in den deutschen Haushalt seien ohnehin sehr unwahrscheinlich, weil im Grundgesetz eine nationale Schuldenbremse festgeschrieben sei. Verstöße gegen den Stabilitätspakt wären in Deutschland also verfassungswidrig.

In einem Bericht des "Spiegel" heißt es, das Kanzleramt wolle den für eine Vertragsänderung nötigen EU-Verfassungskonvent bis Ende 2012 abhalten. Unionsfraktionschef Volker Kauder unterstütze diese Pläne. Das Magazin berichtet auch, dass die CSU den Vorschlag Merkels für einen EU-Konvent dagegen sehr skeptisch sehe.

"Jede Entmachtung nationaler Parlamente führt uns weiter weg von demokratischen Prozessen", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dem Magazin. Allerdings müsste eine EU-Vertragsänderung sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat gebilligt werden, wird in der Regierung betont. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnte vor einer verstärkten europäischen Integration als Antwort auf die Krise.

"Es wäre grob falsch, gerade jetzt in der Krise, die Stabilitätskraft der Nationalstaaten zu schwächen und den Kampf gegen die Krise an die wenig erfolgreichen Brüsseler Eurokraten zu delegieren."

Volksabstimmung gefordert

Merkel strebt eine stärkere Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa sowie eine strengere Ahndung von Verstößen gegen den Stabilitätspakt an. Unterdessen geht die Debatte weiter, ob es im Zuge umfangreicher EU-Vertragsänderungen auch ein Referendum in Deutschland geben sollte.

"Die nächste Änderung der europäischen Verträge sollte mit einer Volksabstimmung verbunden werden", zitiert "Der Spiegel" aus einem Papier des europapolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Michael Roth. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, denkt sogar über ein Referendum am Tag der Bundestagswahl 2013 nach. "Das hätte seinen Reiz, denn dann müssten in der Europafrage alle Parteien Farbe bekennen", sagte er dem Magazin.

Allerdings gehen die Referendums-Überlegungen derzeit davon aus, dass im Zuge der EU-Vertragsänderung auch das Grundgesetz geändert werden müsste. Dies will die Regierung mit der angedachten "kleinen" Änderung des EU-Vertrages offenbar verhindern.

(REU)
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