EU-Wachstumsgipfel am Mittwoch "Merkollande" - Kompromiss mit zwei Siegern möglich

Brüssel/Paris · Pünktlich zum heutigen Gipfel der Europäischen Union warnt die OECD vor einem Wegbrechen der Konjunktur in Europa. In Deutschland läuft es allerdings besser als bisher erwartet – doch die Politiker Europa müssen sich auf Schritte gegen die Staatsschulden-Krise einigen. Das neue Duo "Merkollande" könnte unterdessen den ersten neuen deutsch-französischen Kompromiss mit zwei Siegern schmieden

Mai 2012: Merkel empfängt Hollande in Berlin
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Pünktlich zum heutigen Gipfel der Europäischen Union warnt die OECD vor einem Wegbrechen der Konjunktur in Europa. In Deutschland läuft es allerdings besser als bisher erwartet — doch die Politiker Europa müssen sich auf Schritte gegen die Staatsschulden-Krise einigen. Das neue Duo "Merkollande" könnte unterdessen den ersten neuen deutsch-französischen Kompromiss mit zwei Siegern schmieden

Unmittelbar zum EU-Sondergipfel schlägt die OECD Alarm: Die Staatsschuldenkrise reiße den Euro-Raum in die Rezession und gefährde die Erholung der Weltwirtschaft, mahnten die Experten des Industrieländerclubs gestern in Paris.

Es drohe ein "Teufelskreis, der durch eine hohe und nicht abnehmende Verschuldung, ein schwaches Bankensystem, ein zu starkes Sparen und ein niedrigeres Wachstum in Gang gesetzt werden könnte", lautet die Analyse. Für die ganze Eurozone erwartet die OEDC darum dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaft um 0,1 Prozent.

Um gegenzusteuern, plädiert die OECD für einen Wachstumspakt - der auch Eurobonds enthalten soll. Das ist Wasser auf die Mühlen von Frankreichs neuem Präsidenten Francois Hollande. Der will das Reiz-Thema Gemeinschaftsanleihen beim heutigen Abendessen der 27 EU-Chefs auftischen.

Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel dies ganz und gar nicht schmeckt. Eurobonds, also eine Mithaftung Deutschlands für andere Länder, seien nicht der richtige Weg im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise, hieß es gestern erneut aus Regierungskreisen. Außerdem seien dafür neue EU-Verträge nötig, was viele Jahre brauchen würde.

Das wissen auch die Befürworter wie die EU-Kommission, Italien und Frankreichs Präsident Francois Hollande. Selbst Krisenland Spanien, das von Euro-Bonds extrem profitieren würde, lehnte die Bonds als schnelle Lösung gestern ab. So geht es heute Abend, um die Kunst des Möglichen im Kampf gegen die Schuldenkrise: Kein abrupter Kurswechsel vom Sparen zu Konjunkturprogrammen auf Pump, kein Abrücken vom deutschen Credo Solidarität nur gegen Solidität - sprich Hilfe gegen Reformen.

Rom und Madrid wollen zudem die Haushaltsregeln ein wenig lockern, um mehr Luft für Investitionen zu haben. Die Idee: Wer ein glaubwürdiges Reformprogramm umsetzt, der könnte mehr Zeit erhalten, das Defizitziel von drei Prozent zu erreichen. Berlin lehnt diese Aufweichung des Stabilitätspaktes bislang ab und dringt vor allem auf Strukturreformen ähnlich zur deutschen Politik: Weniger Bürokratie, leichtere Entlassungen älterer Arbeitnehmer, offenere Märkte.

Entscheidungen sollen erst beim nächsten regulären EU-Gipfel Ende Juni fallen - auch in der Hoffnung, dass Francois Hollande nach den Parlamentswahlen am 17. Juni besser Kompromisse schmieden kann. Doch die Grundzüge eines Wachstumspakts sind bereits deutlich absehbar.

Ganz oben auf der Liste stehen so Projektbonds. Bis Ende 2013 sollen 230 Millionen Euro aus dem EU-Budget als Garantien für diese Wachstumsanleihen bereitstehen.

Wenn ein Teil des EU-Budgets als Sicherheit dient, sind Investoren wie Banken, Pensionsfonds oder Hedgefonds eher bereit, weiteres Geld beizusteuern. Die EU-Kommission will mit den Projektbonds bis zu 4,6 Milliarden Euro für Stromnetze, Straßen oder Datenleitungen generieren.

Auch politisch haben sie Charme. Francois Hollande kann die Projekt-Anleihen als Einstieg in eine gemeinsame Haftung a la Eurobonds verkaufen, weil der EU-Haushalt ja von den 27 Staaten getragen wird. Die Kanzlerin kann sagen, dass die Finanzierung von Staaten und Anreize für Privatinvestoren zwei Paar Schuhe sind.

Das neue Duo "Merkollande" könnte den ersten neuen deutsch-französischen Kompromiss mit zwei Siegern schmieden. Die neue französische Regierung ließ jedenfalls gestern verlauten, eine Einigung mit Berlin über eine Wachstumsstrategie sei möglich. Berlin und Paris haben ein entsprechendes Papier für den Gipfel Ende Juni angekündigt.

Darin dürften neben den Projektbonds vor allem drei Punkte enthalten sein. Eine Stärkung der Europäischen Investitionsbank (EIB), eine Vertiefung des EU-Binnenmarktes und ein besserer Einsatz von freien EU-Strukturfonds-Milliarden zur Wachstumsförderung.

(RP/csr/rm)
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