Unsicherheitsfaktor Banken Jetzt wird Spanien zum Problem

Madrid · Kein halbes Jahr nach ihrem Antritt vermittelt Spaniens Regierung ein Bild der Ratlosigkeit – nichts deutet darauf hin, dass die katastrophale Wirtschaftslage sich bessern könnte. Ministerpräsident Rajoy sendet Hilferufe nach Brüssel. Größter Unsicherheitsfaktor sind die Banken.

Diese Regierungen zerbrachen an der Euro-Krise
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Kein halbes Jahr nach ihrem Antritt vermittelt Spaniens Regierung ein Bild der Ratlosigkeit — nichts deutet darauf hin, dass die katastrophale Wirtschaftslage sich bessern könnte. Ministerpräsident Rajoy sendet Hilferufe nach Brüssel. Größter Unsicherheitsfaktor sind die Banken.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy ist erst seit Dezember im Amt. Nur knapp sechs Monate später wirkt es, als wäre er mit seinem Latein am Ende. Die Märkte honorieren die Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung und die harten Einschnitte wie die Arbeitsmarktreform nicht, die das Land tief spalten. Stattdessen stieg der Risikoaufschlag spanischer Staatsanleihen diese Woche teilweise über fünf Punkte — Rekord seit Bestehen des Euros. Die Notierungen der Banken an der Börse sind im freien Fall, die Arbeitslosigkeit steigt ungebremst. Jeder vierte Spanier hat keinen Job, bei den Jugendlichen sogar jeder Zweite. Und nichts deutet darauf hin, dass es besser wird.

Das gefährdet auch den sozialen Frieden. Die Protestbewegung der "Empörten" hat diese Woche, ein Jahr nach ihrer Entstehung, bewiesen, dass sie immer noch enorm vital ist. Tagelang demonstrierten die Menschen zuletzt in den Innenstädten von Madrid und Barcelona.

Statistiken über die nationale Gemütslage gibt es zwar keine. Aber bei den Radiosendern melden sich zunehmend Hörer mit erschütternden Erlebnissen. Eine Frau erzählte schluchzend, dass ihr Mann, ein Ingenieur, die Aussichtslosigkeit nicht mehr ertragen und sich das Leben genommen habe. Die Krise trifft auch Menschen mit Arbeit. Ärzte berichten, dass sie immer mehr Patienten wegen Depressionen krankschreiben müssen.

Spaniens Regierung hat erst am Donnerstag weitere Reformen umgesetzt und Kürzungen bei Schulen und Hochschulen beschlossen. Zudem müssen Rentner nun ihre Medikamente abhängig vom Einkommen vollständig oder teilweise selbst finanzieren. Die den Bundesländern vergleichbaren autonomen Regionen, wegen ihrer Haushaltsdefizite eines der großen Sorgenkinder der spanischen Finanzpolitik, haben sich zu Sparmaßnahmen im Umfang von mehr als 18 Milliarden Euro verpflichtet.

Doch trotz ihrer vielen neuen Dekrete und Parlamentsvorlagen vermittelt Spaniens Regierung den Eindruck von Ratlosigkeit. Rajoy stellt sich nur selten den Fragen der Presse. Am Mittwoch sagte er beim Verlassen des Sitzungssaals des Parlaments den Journalisten, Spanien und Italien machten ihre Hausaufgaben, es müsse aber auch eine Priorität sein, die Staatsanleihen zu stützen. Der Hilferuf galt der Europäischen Zentralbank (EZB).

Noch klarer drücken sich Rajoys Minister aus, wenn man ihnen zusichert, sie nicht namentlich zu nennen: "Kein Land in Europa, nicht einmal in der Welt, macht Reformen wie Spanien. Das Problem in Europa ist nicht Spanien — das Problem ist Europa." Der Satz bringt die Haltung auf den Punkt: Mit neuen Kürzungen als Antwort auf die Marktspekulationen ist von spanischer Seite nicht zu rechnen. Die EZB müsse die Angriffe der Märkte abwehren, indem sie die spanischen Anleihen stützt, und vor allem müsse sie sich an der Sanierung der spanischen Banken beteiligen.

Denn die Banken gelten nun als größter Unsicherheitsfaktor. Schon jetzt sind Spaniens Banken die größten Kreditnehmer der EZB. Sie hat ihnen bisher mehr als eine Billion Euro geliehen. Damit bilden sie Rücklagen. Erst vorige Woche hatte die Regierung mit einer großen Bankenreform die Branche dazu verpflichtet, praktisch jeden zweiten Immobilienkredit über Rücklagen abzusichern. Zudem kaufen Spaniens Banken gut verzinste Staatsanleihen, vor allem spanische. Ein augenscheinlich lukratives Geschäft, solange Spaniens Staatsfinanzen den Marktspekulationen noch standhalten. Die Ratingagentur Moody's bewertet die Situation als sehr unsicher. Sie hat am Donnerstag 16 spanische Banken herabgestuft, darunter Banco Santander, die größte der Eurozone.

Trotzdem will Spanien nicht unter den Rettungsschirm flüchten. In Madrid scheint man überzeugt, dass die Märkte dies als Offenbarungseid werten würden und Spaniens Kreditwürdigkeit weiter leiden würde. Vor allem aber fürchtet Rajoy, der Gang nach Brüssel würde auch in der Bevölkerung fatale Wirkung haben. Rajoy wäre dann nicht mehr der Sanierer, als der er antrat, sondern nur noch Spaniens Konkursverwalter im Auftrag Brüssels.

(RP/sap)
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