Erstes Treffen zwischen Merkel und Hollande "Das wird ein Kennenlerngespräch"

Paris · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Erwartungen an ihr erstes Treffen mit dem frisch vereidigten französischen Staatspräsidenten Francois Hollande bereits bewusst gedämpft: "Das wird ein Kennenlerngespräch", sagte sie im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Zusammenkunft mit anschließendem Abendessen im Berliner Kanzleramt.

Dennoch, mehr als bei einem reinen Höflichkeitsbesuch dürften einige Streitpunkte bereits zur Sprache kommen - allen voran die Fragen über den richtigen Weg aus der Euro-Krise und den in Europa zunehmend kontrovers diskutierten Austeritätskurs.

Während die Bundeskanzlerin in der europäischen Schuldenkrise bisher unbeirrt auf striktes Sparen setzte, lehnt Hollande Austerität alleine ab und fordert gleichzeitig "mehr Wachstum". Den Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin in der EU — Herzstück der Merkel‘schen Europapolitik — will der neue französische Präsident in der aktuellen Form nicht ratifizieren und fordert, ihn um Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung zu ergänzen.

Vor allem in Deutschland ist dies vielfach als Ankündigung fehlinterpretiert worden, Hollande wolle den im Fiskalpakt verbrieften Sparkurs verlassen. So hat Merkel bereits klargemacht, dass die rote Linie nicht überschritten und der Fiskalpakt nicht aufgeweicht werden darf. Indes, eine Abkehr vom Konsolidierungskurs hat Hollande nie gefordert. Er hat sich im Gegenteil vielmehr dem Schuldenabbau verpflichtet und will bis im kommenden Jahr das Haushaltsdefizit auf die im Maastricht-Vertrag festgelegte Drei-Prozent-Marke und bis 2017 auf Null Prozent zurückführen.

Zwar bleibt es noch das Geheimnis des Sozialisten, wie er den Haushalt angesichts seiner teuren Wahlversprechen sanieren will. Doch sollte es ihm gelingen, die Bundeskanzlerin von seinem Sparwillen zu überzeugen, dürften bereits erste Eisschichten brechen. Auch über die von Hollande angestoßene Wachstumsinitiative, die den Fiskalpakt erweitern soll, sind Kompromisse vorstellbar. Wenn Merkel etwa von einer "stärkeren Rolle" der Europäischen Investitionsbank (EIB) spricht, um diese gezielter zur Förderung des Wachstums einzusetzen, dann entspricht dies genau den Vorschlägen Hollandes.

Eine Annäherung zeichnet sich auch in der Frage der europäischen Strukturfonds ab, deren ungenutzte Restsummen Hollande besser verwenden will. Gestern erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Milliarden aus europäischen Fonds könnten in der Tat künftig "vielleicht klüger" und "zielgerichteter" für das Wachstum eingesetzt werden, als in den vergangenen zehn Jahren. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach in einem Interview mit dem französischen Wirtschaftsblatt "Les Echos" von der Möglichkeit, europäische Fonds besser zu nutzen, etwa für die Berufsbildung.

Eine schuldenfinanzierte Wachstumsförderung lehnte Schäuble indes abermals ab und machte damit den deutschen Widerstand gegen sogenannte Eurobonds deutlich. Mit den Gemeinschaftsanleihen, für die alle EU-Länder haften, sollen nach der Vorstellung Hollandes indes nicht etwa Schulden vergemeinschaftet, sondern europäische Infrastrukturvorhaben etwa im Bereich Verkehr oder erneuerbare Energien finanziert werden. Der Sozialist spricht deshalb auch von "Projektbonds", und die sind in der EU-Kommission bereits im Gespräch.

Dennoch — auch wenn Kompromisse möglich erscheinen, so schnell dürften sie kaum verkündet werden: Schließlich stehen in Frankreich im nächsten Monat erst einmal Parlamentswahlen an. Will Hollande eine linke Mehrheit zustande bringen, hat er kein Interesse daran, den Fiskalpakt schon vor dem Wahltermin zu akzeptieren. Vor allem die extreme Linke könnte ihm dies sonst als Einknicken gegenüber Deutschland ankreiden. Es sei denn, Merkel signalisiert schneller als erwartet ein Entgegenkommen beim Wachstumspakt. Dies könnte dann wiederum Hollande bei sich zu Hause als "sein" Erfolg verkaufen.

(sgo/sap)
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