Interview mit Wolfgang Franz "Die Griechen stimmen über den Euro ab"

Berlin · Der Chef des Wirtschafts-Sachverständigenrats, Wolfgang Franz, rät Griechenland, im Euro zu bleiben. Für Deutschland und den Rest der Euro-Zone wäre der Austritt allerdings heute anders als vor zwei Jahren verkraftbar, meint der Chef der so genannten Wirtschaftsweisen.

 Der Chef des Wirtschafts-Sachverständigenrats,Wolfgang Franz, empfiehlt den Griechen, den Euro zu behalten.

Der Chef des Wirtschafts-Sachverständigenrats,Wolfgang Franz, empfiehlt den Griechen, den Euro zu behalten.

Foto: dpa, dpa

Welchen Rat geben Sie den Griechen jetzt ganz aktuell: Wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Euro-Zone zu verlassen?

Franz Die Frage stellt sich so nicht, denn die überwältigende Mehrheit der Griechen will Umfragen zufolge im Euro-Raum bleiben. Dann muss dem griechischen Wahlvolk aber verdeutlicht werden, dass dies nur möglich ist, wenn die Vereinbarungen über die Reformmaßnahmen eingehalten werden, die Griechen also bei den Wahlen im Juni über einen Verbleib in der Währungsunion abstimmen, bei allem verständlichen Unmut über einzelne Parteien.

Welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen hätte der Austritt für Griechenland kurz- und mittelfristig?

Franz Die Finanzhilfen für Griechenland werden eingestellt und dies hat zur Folge, dass der griechische Staat seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und das griechische Bankensystem zusammenbricht. Eine neu eingeführte Drachme würde gegenüber dem Euro massiv abwerten, von allen technischen Schwierigkeiten einer solchen Einführung einmal abgesehen. Viele griechische Sparer verlieren große Teile ihres Vermögens. Außerdem steigen in Griechenland die Importpreise beispielsweise für Erdöl dramatisch an. Der Konsum und die Investitionstätigkeit brechen ein, die Arbeitslosigkeit nimmt rapide zu . In gewissem Umfang werden die griechischen Exporte auf Grund der Abwertung der griechischen Drachme zwar zulegen, etwa im Tourismusbereich, aber das ist vor dem Hintergrund dieser Turbulenzen höchst unsicher und kann den Wirtschaftseinbruch kaum auffangen. Insgesamt gesehen kommen die Griechen bei einem Austritt aus der Währungsunion zumindest kurz- und mittelfristig sprichwörtlich vom Regen in die Traufe.

Welche Folgen hätte ein Euro-Ausscheiden Griechenlands heute — zwei Jahre nach Ausbruch der Krise - für den Rest der Euro-Zone?

Franz Bei einem kompletten Zahlungsausfall Griechenlands steht zu befürchten, dass allein Deutschland Beträge in der Größenordnung von rund 70 Mrd. Euro abschreiben muß, die bereits als Finanzhilfen gewährt wurden oder als Notenbank-Salden bei der Europäischen Zentralbank bestehen. Außerdem sind Domino-Effekte nicht auszuschließen, wenn die Finanzmärkte anfangen, die Euro-Mitgliedschaft anderer Problemländer zu testen. Allerdings hätten diese Ansteckungseffekte nicht mehr so dramatische und unkalkulierbare Folgen wie vor etwa zwei Jahren, weil mit den Rettungsschirmen hohe Brandmauern errichtet wurden und das europäische Bankensystem heutzutage etwas stabiler da steht als seinerzeit.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines internationalen Börsencrashs im Falle eines Staatsbankrotts Griechenlands? Einer Situation wie nach der Lehman-Pleite?


Franz Diese Gefahr halte ich für gering, weil die meisten Banken solche Verluste verkraften können oder gegebenenfalls vom Staat gestützt werden.

Was prognostizieren Sie für die unmittelbare wirtschaftliche Entwicklung in der Euro-Zone? Wie groß ist die Gefahr einer längeren Rezession?

Franz Für den Euro-Raum gehen die meisten Prognosen für 2012 derzeit von leicht negativen Wachstumsraten aus, aber die Risiken sind natürlich beträchtlich, wie beispielsweise die Unsicherheiten bei der Lösung der Schuldenkrise im Euro-Raum oder hinsichtlich der Entwicklung der Rohstoffpreise und des Eurokurses vis-a-vis dem Dollar.

Wie sollte ein Wachstumspaket für Europa aussehen?

Franz Auf jeden Fall hat ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket nichts mit Wachstumspolitik zu tun. Wachstumspolitik muß an der Angebotsseite einer Volkswirtschaft ansetzen und besteht in erster Linie aus Investitionen in Bildung und Forschung sowie in die Infrastruktur. Dazu gehören des weiteren funktionstüchtige Rahmenbedingungen etwa im Hinblick auf die Flexibilität der Güter- und Arbeitsmärkte, eine international wettbewerbsfähige Besteuerung sowie effiziente Systeme der sozialen Sicherung. Wachstumspolitik benötigt einen langen Atem, die Erfolge hat man nicht am gleichen Nachmittag.

Wie beurteilen Sie das bisherige Krisenmanagement der Bundeskanzlerin?

Franz Die Bundeskanzlerin agiert in einem schwierigen Umfeld: National braucht sie die Zustimmung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates und muß die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachten. Auf europäischer Ebene muß sie die anderen Regierungschefs von der Richtigkeit ihrer Politik überzeugen. Vor diesem Hintergrund hat sie meines Erachtens alles in allem gute Arbeit geleistet.

(RP/das)
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