Konfrontation mit Merkel Der freundliche Monsieur Hollande macht Ernst

Frankreichs neuer Präsident legt los wie der Wirbelwind. Schluss mit Sparen in der Krise, her mit den Eurobonds, Vorbehalte gegen Schäuble, raus aus Afghanistan. Hollande lässt die Muskeln spielen. Die deutsche Kanzlerin ist die Leidtragende. Es knirscht gewaltig in den Beziehungen zwischen Berlin und Paris.

Hollande - Frankreichs Präsident
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Es kracht und rummst beim Neustart der deutsch-französischen Beziehungen. So verbindlich und solide der neue französische Präsident seit seinem Amtsantritt auch daherkommt — in politischen Sachfragen zeigt er sich hart.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bekam dies beim G8-Gipfel in Camp David gleich zu spüren. Hollande wirkte bei seiner Premiere im Kreis der Mächtigen wie ein alter Hase, fest integriert im Gipfelbund.

Vor allem die Abstimmung mit US-Präsident Barack Obama lief reibungslos. Gemeinsam bemühten sie sich den Eindruck zu erwecken, Deutschland stehe mit seiner Sparpolitik alleine da. Nur mühsam konnten die Schlusserklärungen die Differenzen übertünchen. Merkel musste sich damit begnügen, dass zumindest das Wort Konjunkturprogramm ungenutzt blieb.

Aber kaum war sie nach Chicago zum nächsten Gipfel weitergereist, hämmerten Obama und Hollande in Pressekonferenzen nochmals ihre Wachstums-Rhetorik herunter. Vor allem in den amerikanischen, aber auch europäischen Medien kam deshalb das Signal an, Merkel sei bei der Lösung der Schuldenkrise isoliert.
Hollande hat großen Druck auf die Kanzlerin aufgebaut.

Eurobonds Am Mittwoch will der französische Präsident Medienberichten zufolge die Einführung von Eurobonds fordern, eine Sache, die Merkel mit Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy doch längst abgeräumt zu haben glaubte. Frankreich aber betrachtet gemeinsame Anleihen der Euroländer als wichtiges Instrument für eine gemeinsame Wachstumspolitik.

Kompliziert für Merkel: Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel steht Hollande mit seinen Ideen nicht alleine da. Auch ein weiteres Europa-Schwergewicht, Italiens Regierungschef Mario Monti, soll sich für Eurobonds ausgesprochen haben. Auch Spanien ist dafür, ebenso wie Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.

In Berlin schrillen bereits die Alarmglocken. Union und FDP bemühten sich am Montagmorgen umgehend, Beton anzurühren. "Eine gemeinsame Verschuldung und ein gemeinsames Zinsniveau wären schädlich", sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Er sei sicher, dass die Bundesregierung ihre Position durchhalten und auch durchsetzen werde. "Eurobonds zum jetzigen Zeitpunkt signalisieren zu niedrige Zinsen und nehmen den Druck auf die Anpassung der europäischen Volkswirtschaften", sagt Steffen Kampeter, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Personalia Doch Hollande setzt noch weitere Druckmittel ein. Mehreren Medienberichten zufolge meldete er gleich mehrfach Vorbehalte gegen Bundesfinanzminister Schäuble als Chef der Eurogruppe an.

Der Franzose habe die Verantwortlichen in Brüssel wissen lassen, dass er einen deutschen Vorsitzenden der Euro-Finanzminister nur sehr schwer akzeptieren könne, schrieb der Spiegel ohne Nennung von Quellen. Wenn überhaupt, dann müsse Schäuble seinen Job als Bundesfinanzminister aufgeben.

Afghanistan-Abzug Dass mit Hollande nicht zu spaßen ist, bekamen nach Merkel dann auch die anderen Regierungschefs beim Nato-Gipfel in Chicago zu spüren. Der französische Sozialist verärgerte mit seinem Wahlkampfversprechen, die französischen Truppen einseitig schon 2012 abzuziehen, die Partner.

Vertreter der Bundesregierung übten daraufhin in diplomatisch ziselierten Worten süße Rache an den Franzosen. "Wir haben in Afghanistan auch durch unser feste Haltung rund um frühere Abzugsgerüchte anderer Staaten und im Kosovo bewiesen, wie zuverlässig wir sind", ließ Verteidigungsminister Thomas de Maiziere wissen: Im Umkehrschluss heißt dies: Frankreich ist es nicht.

Das alles ist nur ein Vorspiel

Das mag so wirken, als ob mit Deutschland und Frankreich nun zwei Züge aufeinander zu rasen, die besser parallel fahren würden. In deutschen Regierungskreisen wiegelt man aber ab und will die Differenzen nicht überbewertet wissen. Denn die beiden Gipfeltreffen sind nur ein Vorspiel für die Debatten, die nach den französischen Parlamentswahlen Mitte Juni anstehen. "Bis dahin ist ein Abrücken Hollandes von seinen Wahlkampfversprechen kaum zu erwarten", heißt es. Merkel drückt dies in Chicago so aus: "Ich denke, dass wir da noch ein wenig warten müssen."

Dann bleiben der Kanzlerin und dem Präsidenten knapp zwei Wochen Zeit, um vor dem nächsten offiziellen EU-Gipfel am 28. Juni zumindest bei den Euro-Themen eine gemeinsame Position zu zimmern, die sowohl deutsche Konsolidierungswünsche als auch französische Forderungen nach stärkeren Wachstumsimpulsen widerspiegelt. Schon beim Treffen in Berlin war die nüchtern getroffene Verabredung der beiden, bis Juni alle Vorschläge und Ideen zunächst mal auf den Tisch zu packen.

Bitte nur nicht noch schlimmer

Bis zur französischen Entscheidung am 17. Juni lautet die eigentliche Aufgabe deshalb nicht Einigung, sondern sich nicht so weit zu verkrachen, dass eine Abstimmung danach unmöglich wird. Nach dem als harmonisch beschriebenen ersten Abendessen im Kanzleramt vergangenen Dienstag versuchten Hollande und Merkel deshalb auch in Camp David trotz inhaltlicher Differenzen den G8-Partnern zu vermitteln, dass sie durchaus "miteinander können" - zumal sie sich in Auftreten und Stil näher sind als Vorgänger Nicolas Sarkozy und die Pastorentochter.

In Chicago saßen Merkel und Hollande dann im Heer der teilnehmenden Staat- und Regierungschefs nebeneinander - fast schon wieder demonstrativ.

(pst)
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