Frank-Walter Steinmeier im Interview "Die Union ist eine erschöpfte Partei"

Der SPD-Fraktionschef lehnt eine Neuauflage der großen Koalition ab und verspricht einen fairen Bundestagswahlkampf.

Niedersachsen wird nach zehn Jahren wieder von der SPD regiert. Ist Hannover Blaupause für den Bund?

Steinmeier Der rot-grüne Wahlsieg gibt uns für die Bundestagswahl natürlich kräftigen Rückenwind. Stephan Weil und seine SPD haben einen hervorragenden Wahlkampf gemacht, in dem den Bürgern nicht das Blaue vom Himmel versprochen, sondern auf die richtigen Themen gesetzt wurde. Stark für die Wirtschaft, eine moderne Verbraucher-, Energie- und Schulpolitik: Das hat die Menschen überzeugt. Überdies hat die SPD in Hannover eine tolle Geschlossenheit gezeigt. All das werden wir uns zu Herzen nehmen.

Der Wahlkampf war fair. Ist das der Maßstab für die Bundestagswahl?

Steinmeier Beide Kandidaten haben den Respekt für die jeweilige persönliche Leistung nie bestritten. Die Auseinandersetzung im Bund ist zwar traditionell etwas schärfer und wird hart in der Sache geführt werden. Aber verbale Schläge unter die Gürtellinie waren nie mein Stil und werden nicht Stil der SPD sein.

Kanzlerin Merkel geht in der Zypern-Frage auf die SPD zu, Minister Altmaier verhandelt mit der SPD über das Atommüllendlager, Frau von der Leyen kämpft für die Arbeiter. Ist die CDU der ideale Partner?

Steinmeier Die Liste ist nicht vollständig. FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat sich für eine stärkere Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft ausgesprochen — eine alte Forderung der SPD. Sie sehen, unsere Themen sind offenbar überzeugend. Aber entscheidend ist: Außer Ankündigungen kommt von dieser Regierung nichts. Ob Besteuerung der Finanzmärkte oder Mindestlohn: Wenn's konkret wird, liegen sich die Koalitionäre in den Haaren, und geschehen tut nix.

Die SPD hat 2005 die große Koalition als Schreckgespenst dargestellt und wurde am Ende Partner der CDU.

Steinmeier Die Union ist eine erschöpfte Partei. Sie hat keinen Identitätskern mehr. Und sie hat keine Idee, wo es mit unserem Land hingehen soll. In der großen Koalition hat die SPD die Richtung vorgegeben und die Arbeit gemacht. Frau Merkel hat sich das dann hinterher schamlos zu eigen gemacht. Eine Wiederholung wird von mir deshalb nicht empfohlen. Deutschland braucht einen Politikwechsel. Den kann es nur mit Rot-Grün geben.

Aber Sie sind doch ein Realist.

steinmeier Das haben Sie ja gerade aus der Antwort gehört.

Was passiert, wenn Rot-Grün und Schwarz-Gelb keine Mehrheit haben?

Steinmeier Ich will da gar nicht unhöflich sein. Aber hypothetische Fragen dieser Art wird kein einigermaßen professioneller Interviewpartner beantworten.

Sie wollten nicht als "Kandidat der Steuererhöhungen" laufen, haben Sie 2009 gesagt. Nun macht Peer Steinbrück genau das. Was ist los?

Steinmeier Das ist doch Unsinn. Steuerpolitik muss Maß und Mitte behalten. Und genau dafür steht Peer Steinbrück. Aber man darf doch nicht so tun, als sei in den letzten Jahren nichts passiert. Wenn wir ernsthaft die Politik der Neuverschuldung beenden wollen, darf es auch keinen verkehrten Dogmatismus geben.

Sie waren Vizekanzler, Außenminister, Fraktionschef. Ist Ihr Bedarf an politischen Ämtern gestillt?

Steinmeier (lacht) Wollen Sie mich loswerden? Wenn ja, muss ich Sie enttäuschen. Ich werde weiter kräftig mitmischen, und ich will mit der SPD Wahlen gewinnen. Fraktionsvorsitz ist ein schönes und wichtiges Amt. Ob es, frei nach Franz Müntefering, das schönste Amt neben Papst ist, dafür fehlt mir als Protestant der Einblick.

MICHAEL BRÖCKER STELLTE DIE FRAGEN.

(brö)
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