Sitzung in der Sommerpause Bundestag muss für AKK-Vereidigung improvisieren - im Reichstag ist kein Platz

Berlin · Für 80 Minuten aus dem Sommerurlaub nach Berlin zurückkommen - das steht den Abgeordneten des Bundestags in der kommenden Woche bevor. Muss das sein? Und: Was kostet das?

 Der Bundestag so, wie man ihn nicht kennt: In der Sommerpause werden Sitze und Saaltechnik erneuert. Zum ersten Mal in 20 Jahren.

Der Bundestag so, wie man ihn nicht kennt: In der Sommerpause werden Sitze und Saaltechnik erneuert. Zum ersten Mal in 20 Jahren.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Sommer 2015, die Griechenland-Krise boomt, der Bundestag geht nach der Sitzung am 3. Juli in die Ferien. Präsident Norbert Lammert (CDU) gibt den Abgeordneten einen guten Rat mit auf den Weg. Es sei keineswegs sicher, dass man sich wie geplant erst im September wiedersehen werde. Daher: „Schwimmen Sie nicht zu weit raus. Vielleicht wäre auch zu überlegen, Kurzurlaube in Berlin in fußläufiger Entfernung zum Reichstagsgebäude für die diesjährige Sommerpause einzuplanen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.“ Genau zwei Wochen später trifft sich der Bundestag wieder und billigt Verhandlungen über neue Milliarden-Hilfen für Griechenland.

Hätte der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in diesem Jahr den Abgeordneten in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 28. Juni doch nur denselben Rat gegeben, es würde vieles einfacher gemacht. Am kommenden Mittwoch sollen die 709 Abgeordneten aus den Parlamentsferien zurückkommen.Kostenpflichtiger Inhalt Die Tagesordnung: Eidesleistung der Bundesministerin der Verteidigung, Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin der Verteidigung, Aussprache. Geschätzte Dauer: etwa 80 Minuten.

Nun gibt es eine Rückrufaktion für die Abgeordneten. „Wir bemühen uns darum, möglichst viele herzubekommen“, sagt ein Sprecher der Linksfraktion, die ihre 69 Mitglieder per SMS kontaktiert hat. Die FDP-Fraktion hat ihren 80 Abgeordneten zwei E-Mails geschickt. Wie viele werden wohl kommen? „Da kann man nur spekulieren“, sagt ein Sprecher. Ebenfalls per Mail und über einen internen Verteiler hat die CDU/CSU-Fraktion ihre 246 Abgeordneten informiert. „Wir sind schon zuversichtlich, dass der weit überwiegende Teil kommen wird“, heißt es dort. Auch an die 152 SPD-Abgeordneten ging eine Mail raus. Ein Abgeordneter hat schon angekündigt, dass er nicht kommen wolle: der AfD-Mann Petr Bystron.

Wie viel die 80-Minuten-Sitzung am Ende kosten wird, lässt sich laut Bundestagsverwaltung nicht beziffern. Die Anreisekosten würden auch gar nicht einzeln erfasst. Klar ist: Abgeordnete, die aus Deutschland anreisen, tun dies umsonst mit ihrer BahnCard 100, die ohnehin jeder von ihnen hat. Die Kosten für eine An- und gegebenenfalls Rückreise an einen Urlaubsort im Ausland übernimmt der Bundestag.

Für die Kosten früherer Sondersitzungen geistert die Zahl von 100 000 Euro herum. Aber selbst der Bund der Steuerzahler, zuständig für das Anprangern jedes einzelnen verschwendeten Euros, gibt sich moderat: „Zur Demokratie gehören Kosten“, sagt sein Präsident Rainer Holznagel. „Allerdings sollte die Bundestagsverwaltung dafür sorgen, dass diese in einem angemessenen Rahmen bleiben.“

Den „angemessenen Rahmen“ einzuhalten, ist diesmal nicht leicht. Denn: Der Plenarsaal im Reichstagsgebäude ist gerade eine einzige Baustelle. Er wird einer gründlichen Sanierung unterzogen, bekommt moderne Technik unter anderem für den Brandschutz im Boden installiert und einen neuen Teppichboden darübergelegt. Die Folge: Abgeordnetensitze, Regierungsbank und Teppich sind entfernt, das Rednerpult und die Bank des Präsidiums in Folie gehüllt.

Den Plenarsaal bis zum Mittwoch wieder provisorisch herzurichten, würde Mehrkosten von bis zu 200 000 Euro verursachen, sagt die Bundestagsverwaltung. So müsste etwa ein Teppich wie in Messehallen verlegt werden, der anschließend im Müll landen würde. Und der Zeitplan für die Baumaßnahmen könnte ins Rutschen kommen.

„Wir brauchen den Plenarsaal Anfang September wieder voll funktionsfähig für die Haushaltswoche“, sagt Bundestagspräsident Schäuble. „Der Aufwand im Paul-Löbe-Haus ist weitaus geringer, deshalb habe ich mich für diese Lösung entschieden.“ Und so bekommt das große Foyer dieses in Sichtweite zum Reichstag gelegenen Baus Stühle, ein Rednerpult, eine Regierungs- sowie eine Bundesratsbank. „Das wird aussehen wie ein Plenarsaal“, sagt ein Bundestagssprecher.

Ein solcher Aufwand für 80 Minuten - klingt ungewöhnlich, ist es aber nicht. 1978 wurden die Abgeordneten aus den Ferien geholt, um in fünf Minuten die Immunität eines Parlamentariers aufzuheben. Es gab auch schon nichtigere Anlässe: 1964 war die Erhöhung von Telefongebühren um zwei Pfennig der Grund für eine Sondersitzung.

Auch eine umbaubedingte Sitzung außerhalb des Bundestagsgebäudes gab es bereits. Am 29. Juli 1953 traf man sich nicht im Plenarsaal in Bonn, sondern im Funkhaus des Nordwestdeutschen Rundfunks in Köln. Und dann gab es noch die Sondersitzung am 2. April 1992. Tagesordnungspunkt 1: „Eidesleistung des Bundesministers der Verteidigung Volker Rühe“. Zwei Tage zuvor war Amtsinhaber Gerhard Stoltenberg zurückgetreten. Auch in dieser Hinsicht schreibt Kramp-Karrenbauer am kommenden Mittwoch also nicht Geschichte.

(mja/dpa)
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