Nach Rücktritt von Hennig-Wellsow Wissler will Linke alleine weiterführen

Update | Berlin · Nach dem überraschenden Rücktritt von Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow will die Linken-Vorsitzende Janine Wissler die Partei bis auf Weiteres alleine weiterführen. Ob es vorzeitig neue Wahlen zur Parteispitze geben soll, ist noch offen.

 Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler bei einer Delegiertenversammlung im Januar 2022 in NRW (Archivfoto).

Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler bei einer Delegiertenversammlung im Januar 2022 in NRW (Archivfoto).

Foto: dpa/Henning Kaiser

Die Entscheidung über die Parteiführung teilte ein Parteisprecher nach einer Krisensitzung des Bundesvorstands am späten Mittwochabend der Deutschen Presse-Agentur mit. Wissler habe eine entsprechende Bitte des Bundesvorstands angenommen.

Der Parteivorstand dankte Hennig-Wellsow für ihre Arbeit, wie der Sprecher erklärte. Sie hatte am Mittwoch nur ein Jahr und zwei Monate nach dem gemeinsamen Amtsantritt ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Sie begründete ihren Schritt mit unerfüllten Erwartungen bei der Erneuerung der Partei, dem Umgang ihrer Partei mit Sexismus in den eigenen Reihen, aber auch mit persönlichen Anliegen.

Ob die Parteispitze eventuell vorzeitig neu gewählt werden soll, blieb zunächst offen. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler hatte am Nachmittag gewittert, er wolle vorschagen, dass die Linke auf ihrem Parteitag im Juni einen neuen Vorstand wähle. Diese Frage wolle die Partei in den kommenden Tagen klären, sagte der Parteisprecher am späten Abend.

Der Bundesvorstand der Partei hatte am Abend lange über den für viele unerwarteten Rücktritt Hennig-Wellsows beraten. Im Fokus der digitalen Krisenschalte, die bereits vor dem Rücktritt der Co-Chefin angesetzt worden war, stand auch der Umgang mit Verdachtsfällen zu sexuellen Übergriffen innerhalb der Partei.

Zur Aufarbeitung der bislang bekannt gewordenen Verdachtsfälle wolle die Partei externe Berater einsetzen, teilte ein Sprecher der dpa am späten Mittwochabend mit. Der Parteivorstand habe in seiner knapp dreistündigen digitalen Sitzung einstimmig einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Solidarität mit Betroffenen und konsequentes Handeln gegen Sexismus, Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt“ verabschiedet. Der Parteivorstand hoffe, Betroffenen auf diese Weise künftig eine sichere Anlaufstelle bieten zu können, hieß es.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte am vergangenen Freitag über „mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur“ im hessischen Landesverband berichtet und sich dabei auf Gespräche mit zehn Frauen und Männern gestützt. Auch die mit der Linken verbundene Jugendorganisation Linksjugend hatte bekannt gegeben, seit Freitag mit „mehr als 30 weiteren Betroffenen“ gesprochen zu haben, wie ihre Bundessprecherin Sarah Dubiel der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Auch Hennig-Wellsow hatte in ihrer Rücktrittserklärung unter anderem den parteiinternen Umgang mit Sexismus als Grund für ihren Abgang genannt. Da gebe es „eklatante Defizite“, schrieb sie. Parteichefin Wissler war im Zusammenhang mit den Verdachtsfällen vorgeworfen worden, als ehemalige Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag nicht rechtzeitig genug zur Aufarbeitung unternommen zu haben. Nach dem Rückzug Hennig-Wellsows und der Kritik am Umgang mit Sexismus war zunächst unklar geblieben, ob Wissler im Amt bleiben würde.

Hennig-Wellsow und Wissler hatten am 27. Februar 2021 das langjährige Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger abgelöst, die auf eine weitere Amtszeit als Parteivorsitzende verzichtet hatten.

(peng/dpa)
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