Landtagswahl 2022 Die Kandidatin ohne Foto

Emmerich · Sabine Hesseling aus Emmerich kandidiert für die Linken, will aber nicht auf die Wahlplakate. Es wäre ihr peinlich, wenn man ihr Gesicht überall sehen würde.

 Linken-Kandidatin Sabine Hesseling beim Fototermin mit der Rheinischen Post auf der Steinstraße. „Ich bin nicht fotogen“, sagt sie. RP-Fotograf Markus van Offern hat das Gegenteil bewiesen.

Linken-Kandidatin Sabine Hesseling beim Fototermin mit der Rheinischen Post auf der Steinstraße. „Ich bin nicht fotogen“, sagt sie. RP-Fotograf Markus van Offern hat das Gegenteil bewiesen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Sabine Hesseling ist eine ungewöhnliche Frau. Die 51-Jährige ist Kandidatin der Linken für den Nordkreis Kleve. Doch auf Wahlplakaten werden sie die Menschen nicht sehen können. Der Grund: Die Emmericherin möchte es nicht. „Das wäre mir peinlich, wenn meine Gesicht überall in den Städten auftachen würde“, sagt sie.

Kaum einem anderen Politiker würde das vermutlich in den Sinn kommen. Aber Sabine Hesseling ist auch keine typische Politikerin, wenngleich sie Spitzenkandidatin ist. Bei der Wahlversammlung der Linken seien nur zwei Frauen anwesend gewesen, erzählt sie ganz offen. Und weil die Statuten der Linken vorschreiben, dass bei den Spitzenpositionen an erster Stelle eine Frau zu stehen hat, schränkte das die Auswahl schon mal deutlich ein. „Die zweite Frau hat aber direkt klargemacht, dass sie es nicht macht“, erzählt Sabine Hesseling. Und so kam es dann, dass die Emmericherin aufgestellt wurde.

Vor neun Jahren trat sie bei den Linken ein. Im Vorstand des Kreisverbandes ist sie Beisitzerin, sie war auch bereits als Delegierte beim Landesparteitag der Linken. Dass sie sich bei den Linken politisch heimisch fühlt, hat viel mit ihrem Streben nach Gerechtigkeit zu tun. „Ich bin in einer Arbeiterfamilie groß geworden“, sagt sie. „Mein Vater hat immer die SPD gewählt, bis er gesagt hat, dass die nichts mehr für die kleinen Leute tun. Dann ist er nicht mehr zu den Wahlen gegangen.“

Anfangs wählte die junge Sabine Hesseling noch die SPD, dann wechselte sie zu den Grünen. Auch aus Enttäuschung über die SPD. Doch nachdem sich bei den Grünen die Realos gegen die Fundis durchgesetzt hatten, erschien ihr die Partei nicht mehr sozial genug eingestellt. „Wer den Klimawandel will, muss ihn so gestalten, dass ihn sich auch alle Menschen leisten können“, sagt sie.

Was würde sie in der Politik ändern?

„Angesichts von Corona und dem Krieg in der Ukraine wird immer deutlicher, dass wir wieder viel mehr regional produzieren müssen“, sagt sie. „Das macht uns weniger abhängig von Lieferketten und Ereignissen.“ Bei der Endlichkeit von Öl sei das ohnehin notwendig, weil Globalisierung nur funktioniere, wenn der Transport der Waren billig sei.

Die Produktion wieder zurück nach Deutschland holen, schaffe auch neue Jobs, sagt sie. „Die müssen natürlich auch vernünftig bezahlt werden.“ Höherer Mindestlohn, dazu mehr Geld für Menschen mit Hartz IV und höhere Renten sind für sie ohnehin selbstverständlich.

Und sie spricht sich für die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien aus. Als Beispiel nennt sie die Pharmaindustrie. „Wir müssen sicherstellen, dass Medikamente für alle Menschen bezahlbar sind.“ Gleichzeitig schränkt sie ein: „Niemand muss fürchten, dass sein Häuschen oder seine kleine Firma nicht mehr sicher ist, wenn die Linken die politische Mehrheit hätten.“

Sabine Hesseling ist bodenständig und wertekonservativ. Ein Smartphone besitzt sie erst seit ein paar Monaten, damit sie - Corona ist es geschuldet - an Videokonferenzen teilnehmen kann. „Ich brauche es nicht. Wer mich erreichen will, kann mich zu Hause anrufen.“ Ansonsten liest sie gerne, schaut sich im Fernsehen Dokumentationen an und mag Spaziergänge.

Sie arbeitet bei der privaten Postzustellungsfirma „Per Dato“ in Emmerich in der Verwaltung und wohnt im beschaulichen Emmericher Ortsteil Vrasselt.

Was die Menschen davon halten, dass sie für die Linken Spitzenkandidatin ist?

„Da ist noch niemand in Ohnmacht gefallen“, schmunzelt sie. „Die Linken werden von den Menschen als eine Partei wie jede andere auch wahrgenommen.“

Was sie bei den Linken stört?

Da verweist sie auf die Kritik von Sahra Wagenknecht. „Manche Leute in der Partei befassen sich zu sehr mit Gendern und vergessen dabei die Sorgen der kleinen Leute.“

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