„Nicht auf Bundestag warten“ Spahn fordert sofort zusätzliche Corona-Maßnahmen von Ländern

Berlin · Bundesgesundheitsminister Jens Spahn macht Druck. Die Zeit dränge – er appelliert an die Länder, nicht auf den Beschluss des Bundesgesetzes zu warten, sondern schnell zu handeln.

 Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, bei der Bundespressekonferenz am Donnerstag.

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, bei der Bundespressekonferenz am Donnerstag.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat an die Länder appelliert, mit der Anwendung der Corona-Notbremse nicht mehr zu warten, bis das geplante Bundesgesetz verabschiedet ist. Es sei zwar gut, dass es bald "eine einheitliche und nachvollziehbare Regelung" geben werde, sagte Spahn am Donnerstag in Berlin. "Aber wir sollten nicht darauf warten, bis der Bundestag nächste Woche dieses Gesetz beschlossen hat."

Er habe bereits vor einer Woche gesagt, dass es zusätzliche Maßnahmen brauche. "Die Zeit drängt und bereits jetzt haben alle auch schon die Möglichkeit zu handeln", sagte Spahn. Er habe im Moment den Eindruck, viele warteten auf das neue Gesetz. Der Instrumentenkasten sei aber schon vorhanden, in einigen Ländern würden die Maßnahmen auch umgesetzt.

Impfen und Testen alleine reichten nicht, um die dritte Corona-Welle zu brechen, betonte Spahn. Dafür brauche es entschiedenes Handeln und weitere Einschränkungen. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts Wieler warnte: "Die Lage in den Krankenhäusern spitzt sich teilweise dramatisch zu." Es sei jetzt zwingend notwendig, die Kontakte weiter zu reduzieren.

Wieler wies darauf hin, dass die meisten Neuerkrankungen mittlerweile bei den 15- bis 49-Jährigen zu verzeichnen sei. Die besonders ansteckende Mutante B.1.1.7 habe einen Anteil von 90 Prozent erreicht. Es sei zwar positiv, dass mittlerweile 17 Prozent der Bundesbürger mindestens einmal geimpft seien, aber "der Großteil der Bevölkerung ist eben nicht geimpft". Und sehr viele Menschen müssten noch monatelang auf ihre Impfung warten.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausgangssperre sei keine Dauerlösung, fügte Spahn hinzu. Es gehe dabei auch nicht darum, ob jemand alleine unterwegs sei. Aber zumeist gingen die Menschen zu einem privaten Treffen, das Ausgangspunkt für Infektionen sein kann. Spahn ging davon aus, dass die Ausgangssperre in der derzeitigen Lage verfassungskonform ist.

Der Bundestag soll am Freitag erstmals über die bundeseinheitlichen Notbremse-Regeln debattieren. Am kommenden Donnerstag könnte das Gesetz auf einer Sondersitzung des Bundesrats die letzte Hürde nehmen. Vorgesehen sind unter anderem die Schließung der meisten Geschäfte sowie nächtliche Ausgangsbeschränkungen, wenn in einer Region die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 liegt.

Kritisch äußerte sich Spahn zu der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung, dass die Schulen erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz auf 200 bei 100.000 Einwohnern den Präsenzunterricht einstellen sollen. Er könne sich diese Maßnahme "deutlich früher" vorstellen, betonte der Minister.

Zufrieden zeigte er sich mit der Entwicklung bei den Impfungen. Es kämen derzeit täglich zwischen 500.000 und 700.000 hinzu.

Der Minister verwies auf die am Mittwoch bekannt gewordene zusätzliche Lieferung von 50 Millionen zusätzlichen Dosen des Vakzins von Biontech an die EU, von denen neun Millionen nach Deutschland gehen sollten. Wenn die Unternehmen wie geplant lieferten, bleibe es dabei, dass bis zum Spätsommer jedem ein Impfangebot gemacht werden könne.

Die Zahl der beteiligten Arztpraxen steige von 35.000 auf 45.000 und werde bald bei 50.000 liegen, führte Spahn weiter aus. Ausdrücklich bekannte sich der Minister zum Impfstoff von Astrazeneca, der nach einigen Fällen von Hirnvenenthrombosen nur noch an Menschen über 60 verabreicht werden soll. Es gebe noch sehr viele Menschen in diesem Alter, die noch nicht geimpft seien, sagte Spahn.

(bora/afp)
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