Wirbel um Ex-Regierungschef Lothar de Maizière "DDR kein Unrechtsstaat"

Frankfurt/Main (RPO). Die DDR war nach Ansicht ihres letzten Ministerpräsidenten Lothar de Maizière kein Unrechtsstaat. "Ich halte diese Vokabel für unglücklich", sagte der frühere CDU-Politiker der "Passauer Neuen Presse". Bei Politik und Opferverbänden ist die Kritik verheerend.

 Der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maiziere, will den Begriff vom Unrechtsstaat nicht auf die DDR angewandt wissen.

Der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maiziere, will den Begriff vom Unrechtsstaat nicht auf die DDR angewandt wissen.

Foto: ddp, ddp

Die DDR sei zwar kein vollkommener Rechtsstaat gewesen. "Aber sie war auch kein Unrechtsstaat." Der Begriff unterstelle, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen sei, Unrecht gewesen sei." Bei Kulturstaatsminister Bernd Neumann stießen die Äußerungen auf scharfe Kritik.

Anlass des Interviews mit de Maizière war der 20. Jahrestag des Volkskammer-Beschlusses zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Der Jurist sagte, Urteile aus DDR-Zeiten hätten in der Bundesrepublik weiter vollstreckt werden können. "Auch in der DDR war Mord Mord und Diebstahl Diebstahl", sagte de Maizière, der Rechtsanwalt ist. "Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit."

Staatsminister Neumann sagte bei einer Ausstellungseröffnung in der Gedenkstätte Marienborn, er halte de Maizières Äußerung für abwegig und nicht nachvollziehbar. "Die DDR war ein Unrechtsstaat durch und durch." Es sei ein undemokratischer Staat gewesen, der seine Bürger hinter Mauern und Stacheldraht einsperrt habe.

Die DDR habe fundamentale Rechte wie Reise-, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit verwehrt. "Es war im Grunde ungeheuerlich, sich als 'demokratische Republik' zu bezeichnen. Die Wesensmerkmale der Demokratie wie Gewaltenteilung, Herrschaft auf Zeit, freie Wahlen waren alle ausgeschaltet", sagte Neumann.

Ähnlich äußerte sich die Vereinigung der Opfer des Stalinismus. "Herr de Maiziere verharmlost die SED-Diktatur und versündigt sich damit an deren Opfern", erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende Ronald Lässig. Die DDR habe ihre Bevölkerung eingesperrt und bevormundet. Wer die Flucht gewagt habe, sei an Mauer und Stacheldraht erschossen oder eingesperrt worden. "Wer das nicht als Unrechtsstaat deutlich benennt, leistet einen unrühmlichen Beitrag zur Ostalgie."

Kritik auch an Jochimsen

De Maizière, dessen Cousin Thomas Bundesinnenminister ist, war der erste und letzte demokratisch gewählte Ministerpräsident der DDR. Bereits vor der Wende war er Mitglied der Blockpartei CDU. Auch die erfolglose Linkspartei-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Luc Jochimsen, sagte im Juni, dass die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sei und wurde dafür scharf kritisiert. Jochimsen begründete ihre Ansicht damit, dass es den Begriff Unrechtsstaat nach juristischer Definition nicht gebe.

Bei der Eröffnung der Ausstellung in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn würdigte Kulturstaatsminister Neumann den Mut und den Willen von Bürgern der DDR, Freiheit und Demokratie einzufordern. Den Ostdeutschen sei die einzige erfolgreiche Revolution in Deutschland überhaupt gelungen und dies auch noch friedlich, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Wanderausstellung steht unter dem Motto "SED - wenn du nicht gehst, dann gehen wir!".

(apd/pst)
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