Bund-Länder-Treffen Angst vor der eigenen Courage

Meinung | Berlin · Omikron naht – die Feiertage auch. Bund und Länder trafen sich erneut, um über die Bekämpfung der Corona-Pandemie zu reden. Warum sich Länder und Bund so schwer tun, strengere Maßnahmen zu verhängen.

 Ein Blick auf das Kanzleramt am Abend.

Ein Blick auf das Kanzleramt am Abend.

Foto: AP/Michael Sohn

Was haben die Niederlande, Dänemark, Österreich und Frankreich gemeinsam? Sie sind Grenzländer Deutschlands. Und alles eingestufte Hochrisikogebiete. Wie lange braucht ein Virus, um offene Grenzen zu überschreiten? Das war die große Preisfrage, als sich Bund und Länder am Dienstag erneut zu Gesprächen trafen.

Ein sehr besorgtes Votum der neuen Expertenkommission führte zu diesem kurzfristig angesetzten Treffen von Bund und Ländern. Noch kurz vor der Videoschalte schlug wiederum das Robert-Koch-Institut Alarm und forderte angesichts der bedrohlichen Lage sofortige „maximale Kontaktbeschränkungen“.

Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sieht Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor - nach Weihnachten allerdings erst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründet das damit, dass  Weihnachten und Ostern keine Pandemietreiber seien, sich viele Menschen vernünftig verhielten. Und sich viele Menschen ein halbwegs normales Weihnachtsfest herbeisehnten.  Von einem öffentlichen Lockdown ist man jedoch auch nach Weihnachten noch ziemlich weit entfernt. Treffen nur in kleinem Kreis, keine Silvesterfeiern, keine sportlichen Großveranstaltungen. Überprüft werden sollen diese Maßnahmen - allerdings erst in der ersten Januarwoche. Noch immer, so der Eindruck, regiert auch das Prinzip Hoffnung bei allen Beteiligten.Die bange Frage ist doch: Ist das nicht zu spät? Was ist in der Zwischenzeit beispielsweise mit den Schulen? Die Impfkampagne ist zwar auf einem guten Weg, die Zahlen steigen - aber wird das reichen, auch wenn Kanzler Scholz jetzt 80 Prozent als Ziel ausgibt.

Und allen Beteuerungen zum Trotz wird die Lage für parteipolitische Schuldzuweisungen genutzt. CDU und CSU sind sich einig im Ausrufen der Notwendigkeit der epidemischen Notlage und der Kritik an ihrer Abschaffung durch die Ampel  - vergessen dabei jedoch, dass Maßnahmen wie etwa Restaurantschließungen durchaus bereits jetzt in jedem Bundesland möglich wären. Die FDP beharrt wiederum auf einem eher lockeren Kurs. Also ist alles wie gehabt: Die Länder starren auf den Bund - auch weil einzelne Ministerpräsidenten nicht den Willen oder die Kraft haben, eigene harte Maßnahmen zu ergreifen. Aus Angst vor Klagen vor Gericht, aber auch vor Klagen der heimischen Wirtschaftsverbände und Wirtschaftshilfen, die vor allem aus dem Bundessäckel kommen sollen.

 Die meisten Menschen im Land scheinen schon weiter. Eine große Mehrheit von 72 Prozent der Bundesbürger  spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus.  Zwei Drittel halten einen generellen „Lockdown" einschließlich Schließung von Geschäften, Clubs und Freizeiteinrichtungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für richtig, wenn die Infektionszahlen weiter steigen sollten. Die Politik sollte also nicht auf die hören, die sich partout gegen solidarisches Handeln entscheiden und dies auf die Straße tragen. Sondern diejenigen ermutigen, die  bereitwillig erneut geduldig in der Impfschlange warten. Wenn es einer „Silvesterruhe“, also etwa einem zweiwöchigem harten Lockdown bedarf, so wie es die Wissenschaft fordert- dann würde ein einheitlicher Beschluss sehr helfen. Ruhig, einmütig und klar vermittelt. Um wenigstens optimistisch auf das Frühjahr 2022 zu blicken - vielmehr bleibt auch gerade nicht.

(mün)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort