Bundespräsident zieht Bilanz Gauck ruft zur Verteidigung der Demokratie auf

Berlin · Bundespräsident Joachim Gauck hat zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit die Verteidigung der Demokratie und eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt angemahnt.

 Joachim Gauck bei seiner Rede im Schloss Bellevue

Joachim Gauck bei seiner Rede im Schloss Bellevue

Foto: rtr, joh

Angesichts von internationalen Krisen und wachsendem Populismus rief Gauck die Bürger in einer Rede im Schloss Bellevue auf, "das beste, das demokratischste Deutschland, das wir jemals hatten" zu bewahren. "Die liberale Demokratie und das politische und normative Projekt des Westens, sie stehen unter Beschuss", warnte der Bundespräsident. Zu den Herausforderungen zählten die schwindende Bindekraft der Europäischen Union und der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens, die Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine sowie die wachsende Bedrohung durch den "islamistischen Terror". Der Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Donald Trump sorge zudem für Unsicherheit in den transatlantischen Beziehungen.

Auch in Deutschland seien populistische Bewegungen auf dem Vormarsch, die eine "Rückkehr ins Nationale, die Abwehr von Fremden und Freihandel" propagierten. Im Internet verbreitete Falschnachrichten und der zunehmend raue Umgangston gefährdeten die öffentliche Meinungsbildung. "Vor allem in den sozialen Netzwerken wird fast grenzenlos gelogen, beschimpft, verletzt."

Gauck rief die Politik zu "entschlossenem und weitsichtigem Handeln" auf, um Populisten die Möglichkeit zu nehmen, "Zweifel an der liberalen Demokratie zu säen". Zugleich warnte er die Eliten davor, Bürger mit unbeliebten Ansichten pauschal aus der Debatte auszugrenzen. "Wir müssen eine Kommunikation wagen, die deutlich stärker als bisher die Vielen einbezieht und nicht nur die, die regelmäßig am politischen Diskurs teilnehmen."

Der Bundespräsident räumte ein, dass "manche europäische Gesellschaften mit Aufnahme und Integration einer großen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten überfordert sein" könnten. Er forderte die Sicherung der europäischen Außengrenzen, eine europäische Einwanderungspolitik und eine Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunftsländern, um "krisenhafte Zuspitzungen" in Zukunft zu vermeiden.

Im "jungen Einwanderungsland Deutschland" stünden sowohl Einheimische als auch Eingewanderte in der Pflicht, für eine offene Gesellschaft einzutreten. "Was keinen Platz hat in diesem Miteinander, das sind Verunglimpfung, Hetze, Ausgrenzung, Hass, und erst recht keine Gewalt gegenüber den Eingewanderten", sagte Gauck. Andererseits dürfe die Angst vor dem Vorwurf des Rassismus nicht dazu führen, "Normenverletzungen unter Einwanderern" zu verschweigen oder Diskussionen über das zu einer Demokratie passende Islamverständnis zu unterbinden.

In der Sicherheitsdebatte nach dem Berliner Anschlag sprach sich Gauck für einen starken Staat aus. "Der Rechtsstaat verliert, wenn er sich im Kampf gegen Gewalt und Terror als zu schwach oder gar hilflos erweist." Mehr Sicherheit sei keine Gefahr für die Demokratie, sondern "vielmehr ein Erfordernis zu ihrem Schutz".

Erneut plädierte der Bundespräsident für ein größeres deutsches Engagement in der Welt. Die Bundesrepublik komme gegenwärtig "bei weitem noch nicht allen Verpflichtungen nach", sagte er. "Gemessen an den Herausforderungen unserer Zeit und an unseren Möglichkeiten, könnten und sollten wir deutlich mehr tun: für Krisenprävention und Diplomatie, für Entwicklungszusammenarbeit und Missionen der Vereinten Nationen, aber auch für eine verbesserte Verteidigungsfähigkeit im westlichen Bündnis."

Gauck hatte vergangenen Sommer aus Altersgründen seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit erklärt. Sein Nachfolger wird am 12. Februar von der Bundesversammlung gewählt. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der von der großen Koalition vorgeschlagene bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

(crwo/dpa)
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