Paris Frankreich jagt die Attentäter

Paris · 88 000 Sicherheitskräfte sollen die Männer aufspüren, die beim Anschlag auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" zwölf Menschen ermordeten. Es gab etliche Festnahmen - und weitere Zwischenfälle: In Paris wurde eine Polizistin erschossen.

Die französische Polizei war am Tag nach dem Attentat auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" den beiden Hauptverdächtigen auf den Fersen: Nordöstlich von Paris überfielen die zwei vermummten und bewaffneten Brüder gestern eine Tankstelle und sollen sich dann in einem Haus in dem Dorf Crépy-en-Valois bei Compiègne verschanzt haben. Polizei und Militär mit Hunden durchkämmten unter anderem einen Wald; nach Medienberichten wurde ein rund 20 Quadratkilometer großes Gebiet systematisch abgesucht. 88 000 Sicherheitskräfte waren in ganz Frankreich im Einsatz, um die Attentäter aufzuspüren, davon allein rund 5000 Elite-Polizisten und Spezialeinsatzkräfte mit Hubschraubern.

Nach dem Fund von zehn Molotow-Cocktails, einer islamistischen Flagge und einem Stirnband in einem Fluchtwagen, der an der Pariser Stadtgrenze abgestellt worden war, glauben die Ermittler, dass Chérif (32) und Saïd Kouachi (34) nach der Ermordung von zwölf Menschen in Paris weitere Anschläge planten. Chérif war 2005 als Islamist zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden; Saïd sei nie angeklagt oder verurteilt worden, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve, sei aber "im Umfeld der Angelegenheiten seines Bruders" aufgefallen. Beide stammen aus Paris und sind französische Staatsbürger.

Der 18 Jahre alte Schwager der Brüder, der ebenfalls tatverdächtig ist, hatte sich am Mittwochabend in der Kleinstadt Charleville-Mézières nahe der belgischen Grenze gestellt. Er beteuert seine Unschuld. Insgesamt wurden neun Personen in Gewahrsam genommen.

Ob ein Vorfall im Süden von Paris, bei dem eine Polizistin erschossen wurde, in Zusammenhang mit dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" steht, war zunächst unklar. Ein Mann mit schusssicherer Weste hatte mit einem Schnellfeuergewehr von hinten auf Polizisten bei einer Unfallaufnahme gefeuert. Unklar war auch der Hintergrund einer Auto-Explosion im Pariser Vorort Villejuif.

Nach Medienberichten versuchte am Morgen ein Mann, gewaltsam in die Räume der Wochenzeitung "Valeurs actuelles" in Clichy bei Paris einzudringen. Er wurde festgenommen; zu seinen Motiven gab es keine Angaben. In mehreren Gemeinden gab es Attacken auf muslimische Einrichtungen. Eine Moschee im nordwestfranzösischen Le Mans sowie ein Gebetsraum im südfranzösischen Port-la-Nouvelle seien in der Nacht beschossen worden, teilten die Staatsanwaltschaften mit. Verletzt wurde niemand.

In Frankreich gab es eine Schweigeminute. Staatspräsident François Hollande forderte die Franzosen auf zusammenzustehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte den Nachbarn Unterstützung zu. "Gemeinsam werden Deutschland und Frankreich unsere Werte der Freiheit und der Demokratie verteidigen", schrieb Merkel ins Kondolenzbuch, das in der französischen Botschaft in Berlin auslag.

Auch in unserer Region gab es Anteilnahme und Empörung über das Verbrechen. So gedachten 200 Remscheider im Rathaus-Foyer der Opfer. Auch das Islamisch-Marokkanische Kulturzentrum in Hilden meldete sich zu Wort. "Wir möchten zum Ausdruck bringen, dass diese Tat auf keinen Fall im Sinne des Islam vertretbar, sondern im Gegenteil aus islamischer Sicht absolut verwerflich und verboten ist", erklärte der Vorsitzende Mohamed Bouziani.

Der Düsseldorfer Karnevalswagen-Bauer Jacques Tilly, der für seine umstrittenen politischen Motive bekannt ist, schloss gestern einen Mottowagen zum Terror gegen die Satire nicht aus: "Wir wollen am Rosenmontag ja wieder sehr aktuell sein. Die Narrenfreiheit ist eine Unterkategorie der Meinungsfreiheit." Einschüchtern lasse er sich nicht.

Nach dem Terroranschlag erwägen deutsche Satire-Museen wie das Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch in Hannover, eine Schau mit Mohammed-Karikaturen zu zeigen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth Frankreich die "starke Solidarität aller Nato-Staaten" zu. Als Konsequenz aus dem Attentat komme es jetzt nicht nur auf Polizei und Geheimdienste, sondern auch auf eine "engere Kooperation der Nato-Staaten" an. Eine Veränderung der Sicherheitslage in Europa sei bereits durch das aggressive Vorgehen Russlands in der Ukraine entstanden. Deutschland sieht Stoltenberg als "Schlüsselnation" für die Sicherheit in Europa.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat zum Gedenken an die Opfer in Paris Trauerbeflaggung an allen Dienstgebäuden des Landes bis morgen angeordnet.

(RP)
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